Jungkatholiken mußten Ballonfest abblasen

Trotz Einschüchterung ihrer Oberhirten machten sich 3.000 Angehörige des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend auf den Weg nach Fulda / Demo gegen „autoritäre Tendenzen in der Kirche“ / Reaktionärer Erzbischof Dyba will den Bund finanziell austrocknen  ■  Aus Fulda Johannes Nitschmann

„Damit es nicht weiter bis zum Himmel stinkt“, wollten die im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zusammengeschlossenen Jungkatholiken am Sonntag in Fulda einen Tag vor Beginn der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz - Hunderte von Luftballons steigen lassen. Doch in letzter Minute hatten die aufmüpfigen BDKJ -Funktionäre das Luftballonaufblasen wieder abgeblasen, offenbar eingeschüchtert von ihren Bischöfen.

Die mißtrauischen Oberhirten hatten in dem von der BDKJ -Führung als „Solidaritätsfest“ ausgegebenen Fuldaer Treffen Protest und Provokation gegen die Kirchenleitung gewittert. Unter der unverhohlenen Androhung von weitreichenden Sanktionen hatten sie massiv auf eine Absage des gesamten Festivals gedrängt.

Dennoch machten sich am Sonntag aus allen Teilen der Bundesrepublik über 3.000 organisierte Jungkatholiken in die hessische Bischofsstadt auf, um „zu zeigen, daß wir uns in unserer Kirche nicht an den Rand drängen und ausgrenzen lassen“, wie BDKJ-Chef Michael Kröselberg ausrief. Die gegen „autoritäre Tendenzen in unserer Kirche“ protestierenden BDKJler demonstrierten Solidarität mit ihrem Diözesanverband Fulda, den deren Erzbischof Johannes Dyba wegen angeblicher Linkslastigkeit und mangelnder Katholizität längst aus dem Schoß von Mutter Kirche vertrieben hat. Dyba, Rechtsaußen der Deutschen Bischofskonferenz, kündigte dem BDKJ im Bistum Fulda sämtliche Mietverträge über kircheneigene Büro und Versammlungsräume und strich zum Ende dieses Jahres auch alle Zuschüsse aus der Kirchensteuerkasse.

Den Bischöfen paßt bei dem nach eigenen Angaben rund 500.000 Mitgliedern zählenden BDKJ schon seit einigen Jahren die ganze Richtung nicht; weitgehend erfolglos drängten die Oberhirten ihre ihnen gesellschafts- wie kirchenpolitisch immer mehr aus dem Ruder laufenden Jungkatholiken zu „Kurskorrekturen“. Doch auch der erst im April dieses Jahres neugewählte BDKJ-Bundesvorstand schlug gegenüber der Amtskirche Töne an, die den Ruf nach handfesten Konsequenzen immer lauter werden ließen.

Ein der taz vorliegendes, zwischenzeitlich offiziell zurückgezogenes Papier des BDKJ-Bundesvorstandes vom Frühjahr dieses Jahres kommt zu dem Befund: „Die Mehrheit der kirchlichen Hierarchie in der Bundesrepublik ist dabei, (...) die letzten Pfründe der Einflußnahme zu sichern und angesichts dieser Situation an den realen gesellschaftlichen Problemlagen haarscharf vorbei zu sehen und zu handeln.“ Und weiter heißt es in diesem nunmehr zu einem „Non-Paper“ erklärten „Nachdenkzettel“ der BDKJ-Führung: „Die Kirche in unserem Land muß sich deshalb fragen, ob sie das angebrochene Reich Gottes verkünden und weiterbauen will oder ob sie sich in die Rolle einer nationalen Agentur eines international erfolgreichen Fast-Fooders, sozusagen des McDonald's in Sachen Lebenssinn, drängen läßt.“

Tausende von BDKJlern protestierten im Vorfeld der Fuldaer Bischofsvollversammlung per vorgedruckter Postkarte bei ihren öftlichen Oberhirten dagegen, daß „unbequeme Jugendliche aus der Kirche gedrängt“ und „die Grundlagen verbandlicher kirchlicher Jugendarbeit untergraben werden“. Die Jungkatholiken zeigten sich „erschrocken über autoritäre Tendenzen in unserer Kirche“ und verlangten nach einer offenen Kirche, nach „demokratischen Strukturen, Mitbestimmung und Meinungsfreiheit“ im Kirchenapparat. Einzige Reaktion der Bischöfe: Sie forderten eine Einstellung der von der Düsseldorfer BDKJ-Zentrale gesteuerten Postkartenaktion.

Gerade das Recht, sich in gesellschaftliche Konflikte einzumischen und selbständig Politik zu machen, wird den in 17 Mitglieds- und 22 Diözesanverbänden organisierten BDKJlern von ihren stockkonservativen Kirchenführern energisch bestritten. Vor allem über der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) schwebt schon seit Jahren das Damoklesschwert des „K„-Entzuges, weil dieser mit 90.000 Mitgliedern zweitgrößte BDKJ-Mitgliedsverband in den vergangenen Jahren immer wieder den Stachel gegen die Amtskirche löckte und sich mit den Oberhirten anlegte.

Das „altbekannte Konfliktregelungsmuster“ der Amtskirche sieht der BDKJ-Vorsitzende Kröselberg auch in dem geforderten Verzicht auf das Fuldaer „Solidaritätsfest“. Das „ständige Drehen an der Konfliktschraube“ laufe seit Jahren nach dem gleichen Schema: „Eine Angelegenheit stößt auf Kritik bei Bischöfen und gleich wird Druck ausgeübt in der Erwartung, daß dies zum Einlenken führt“, aus einem einzigen Konfliktanlaß werde „sofort die Existenzfrage des BDKJ gemacht“.

So auch diesmal in Fulda. Auf Anweisung Dybas bleiben die Kirchentüren in der gesamten Stadt für die über 3.000 Jungkatholiken verschlossen. Selbst eine Eucharistiefeier unter freiem Himmel wurde ihnen von der Kirchenleitung untersagt. Die Bischöfe blieben der Veranstaltung in toto fern, schickten lediglich ihre auffällig umherwieselnden Spitzel und Späher, die das Geschehen zum Teil sogar mit Minox-Kameras festhielten.

Eine WDR-Redakteurin traf unter den Beobachtern des bunten BDKJ-Spektakels sogar auf Männer des politischen Kommissariats der Fuldaer Kriminalpolizei. Da zeigte sich selbst BDKJ-Sprecher Andreas Pläsken ein bißchen erschrocken: „Unsere Aktionen und Forderungen geben zu so etwas keinen Anlaß...“