EINZIGER BESITZ: EIN ROLLSTUHL

■ Gehunfähiger wird Tag und Nacht bewacht

Mein Name ist H. Ich bin am 1. Mai 1945 in Köln geboren. Von Beruf bin ich gelernter Bäcker. Am 15. Juli 1988 wurde ich nach einem Jahr Haft ohne festen Wohnsitz aus der Haftanstalt Lehrter Straße entlassen. Ohne Wohnung, keine Arbeit usw. Ich mußte fast nur auf der Straße leben. In dieser Zeit muß ich mich erkältet haben. Ich habe darauf nicht weiter geachtet. Nur meine Beine konnte ich nicht mehr richtig bewegen. Auch hatte ich Schmerzen in der Hüfte. Am 4. Januar 1989 muß ich auf der Toilette am Breitscheidtplatz umgefallen sein.

Am 16. Januar 1989 wurde ich auf der Intensivstation im Krankenhaus Moabit wach. Ich lag unter einem Sauerstoffzelt und wußte nicht, wo ich war. Einige Tage später konnte ich aufnehmen, was die Ärzte mir sagten. Ich war im Koma eingeliefert worden. Mein gesamter Unterkörper bis zum rechten Knie war vereitert. Den Eiter aus dem rechten Bein hatte man schon abgesaugt. Es wurde mir nun gesagt, daß der Eiter meine Hüftgelenkschmiere zerfressen hatte. Ich würde künstliche Hüftgelenke benötigen. Das konnte man aber erst später machen, da ich bei 1,70 Meter Größe nur noch 59 Kilogramm wog. Am 10.Mai 1989 war ich nicht mehr akut gefährdet und wurde samt Rollstuhl (denn ich kann nicht laufen) in das Seniorenheim Blücherstraße (Kreuzberg) verlegt. Ich sollte dort bleiben, bis man meine Hüfte operieren konnte.

Am 5. Juni 1989 wurde ich in dem Seniorenheim verhaftet. Ich hatte im Februar 1989 einen Termin gehabt. Da ich im Krankenhaus lag und nichts von diesem Termin wußte, aber ja auch ohne festen Wohnsitz war, hatte das Gericht, da ich nicht zum Termin erschienen war, einen Haftbefehl erlassen. Ich wurde nun, samt Rollstuhl, ins Haftkrankenhaus Moabit gebracht. Der Richter verkündete mir den Haftbefehl und sagte, daß am 24.Juni der Termin gemacht würde. Zum Termin mußte ich natürlich im Rollstuhl erscheinen.

Ich bekam neun Monate Haft ohne Bewährung. Am 21. Februar 1990 werde ich entlassen. Nun fängt es aber erst an.

Vor drei Wochen wurde ich ins Urban-Krankenhaus gebracht. Dort wurde ich nach ein paar Tagen, in denen ich rund um die Uhr von drei Beamten bewacht wurde, die sich vor meinem Krankenzimmer ablösten, operiert. Und das, obwohl ich mich kaum bewegen konnte.

Operiert bin ich nun erst einmal an der linken Hüfte. Man hat ein künstliches Gelenk eingesetzt. Seit zehn Tagen bin ich wieder im Haftkrankenhaus Moabit. Ich darf nur im Bett liegen und mich kaum bewegen. Wenn das linke Bein irgendwann belastbar ist, soll ich wohl versuchen zu laufen. Das kann aber dauern. Dann kommt die rechte Hüfte dran.

Am 21. Februar werde ich entlassen. Können Sie sich vorstellen, wie mir zumute ist. Ich habe keine Unterkunft, keine Bekleidung bei der Entlassung. Da ich ja in der Anstalt nicht arbeiten kann (ich muß ja nur im Bett liegen), bekomme ich nur zu essen und zu trinken. Einkaufen kann ich mir nichts. Das einzige, was ich habe, ist der Rollstuhl. Der ist vom Roten Kreuz. Sollte ich wieder einmal laufen können, muß der zurück. Er ist mir nur geliehen. Ich werde noch Monate ohne alles in der Zelle liegen. Alle 14 Tage kommt der Pfarrer und bringt ein Paket Tabak. Na ja.

H., Berlin-Moabit