Zwei Listen bei Boehringer

■ Für den Betriebsrat werden GewerkschafterInnen gemeinsam mit Ausgeschlossenen kandidieren - gegen die offizielle Liste der IGMetall / Großer Zulauf zu den DissidentInnen

Mannheim (taz) - Die IGChemie wird zu den Betriebsratswahlen bei Boehringer Mannheim nur noch mit einer kleinen Rumpfliste antreten; die meisten betrieblichen AktivistInnen der Gewerkschaft werden jedoch auf einer zweiten Liste gemeinsam mit den Boehringer-Vertrauensleuten kandidieren, die im letzten Jahr aus der IGChemie ausgeschlossen worden waren. Das kann jetzt als sicher gelten, nachdem die IGChemie am Montag abend nach einem Treffen mit den Vertrauensleuten bei ihrem harten Kurs blieb. „Aus prinzipiellen Gründen“, so erklärte dort der Mannheimer Geschäftsführer der IGChemie, Klaus Fichter, könne es mit den Ausgeschlossenen keine gemeinsame Betriebsratskandidatur geben.

Die Boehringer-Vertrauensleute wollten verhindern, daß bei den Wahlen zwei Listen mit IG-Chemie-Mitgliedern gegeneinander antreten - deswegen sollten auch die Ausgeschlossenen, so votierte das Gremium, auf die offizielle IG-Chemie-Liste (siehe taz vom 22.9.). Zugleich wollten sie damit zeigen, daß sie mit der Ausschlußpraxis der IG-Chemie-Zentrale in Hannover nicht einverstanden sind. Dem Ausschluß war die Weigerung der GewerkschafterInnen vorangegangen, einem Kandidaten der Hauptverwaltung für einen Boerhinger-Aufsichtsrat das Vertrauen zu erklären.

Derweil kann sich die neue Liste vor Zulauf nicht retten, obwohl Sanktionen der IGChemie drohen. Innerhalb von zwei Tagen meldeten bereits 140 IG-Chemie-Mitglieder ihre Bereitschaft zur Kandidatur an. Fast alle BetriebsrätInnen, die bei den letzten Wahlen über die Liste der IGChemie in ihr Amt gelangten, wollen diesmal auf der „anderen“ Liste bei den DissidentInnen antreten.

Auf welche Art die Gewerkschaft auf die Unbotmäßigkeit ihrer Mitglieder reagieren wird, ist noch unklar. Nachdem der Bundesgerichtshof klargestellt hatte, daß allein die Kandidatur auf gegnerischen Listen nicht als Ausschlußgrund reicht, erklärten es Gewerkschaftssprecher für unwahrscheinlich, daß es zu einem erneuten Massenausschluß bei Boehringer kommen werde.

Rolf Gramm