Zeugen im Startbahnprozeß unter Druck

Bundesanwaltschaft muß im Frankfurter Prozeß unzulässige Vernehmungsmethoden einräumen / Drei „erfahrene Ermittlungsbeamte“ hatten Baldur O. in die Mangel genommen / Anwalt mußte draußen bleiben und wunderte sich über „Fremdenzimmer für Zeugen“  ■  Von Rainer Kreuzer

Frankfurt (taz) - Im Startbahnprozeß in Frankfurt hat Bundesanwalt Pflieger gestern eingestanden, den am 19. September als Zeugen vorgeladenen Baldur O. seinerzeit „unter Druck gesetzt“ zu haben. Der Zeuge hatte in der Nacht vom 2. zum 3. Dezember 1987 eine den Hauptangeklagten Frank Hoffmann belastende Aussage gemacht.

In der vergangenen Woche hatte Baldur O. aber vor der 5. Strafkammer des Frankfurter Oberlandesgerichts die Aussagen für ungültig erklärt. Begründung: Sie seien mit Hilfe unzulässiger Vernehmungsmethoden zustande gekommen. Pflieger, der das umstrittene Verhör leitete, wurde gestern als Zeuge zu Verhörsituation vernommen.

Mit „suggestiven Fragen“, so die Verteidigung, habe Pflieger bei jenem Nacht- und Nebelverhör dem Zeugen in den Mund gelegt, er habe bei der Startbahndemo am 2.November 1987 „dicht neben dem Schützen gestanden“. Zur Unterstützung des Aussagewillens „belehrte“ ihn der Bundesanwalt über das Strafmaß, welches auf eine strafvereitelnde Falschaussage steht: bis zu fünf Jahre Knast. Außerdem habe Pflieger dem Zeugen bereits eine Falschaussage über eine Strommastsägerei nachzuweisen geglaubt.

Baldur O. wurde in jener Winternacht unter dem Druck „dreier erfahrener Ermittlungsbeamter“ vernommen. Rechtsanwalt Jürgen Borowsky durfte den Zeugen während des Verhörs im LKA nicht besuchen. Pflieger wollte ein Gespräch Baldurs mit dem Anwalt „auf jeden Fall verhindern“, sagte der Bundesanwalt im Gerichtssaal. Borowsky war verwundert, daß O. als Zeuge bis Mitternacht im LKA verweilte, und fragte, „ob das LKA nun Fremdenzimmer für Zeugen bereitstellt“. Doch inzwischen war aus Baldur O. ein festgenommener Beschuldigter geworden, dem eine Falschaussage angelastet wurde.

Über „den Höhepunkt der Veranstaltung“, die tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten, müsse Baldur O. als Startbahngegner einfach Bescheid gewußt haben, unterstellte ihm Pflieger. Weshalb er sich auch nach der Logik der Bundesanwaltschaft zwangsläufig in der Nähe der Schützen aufgehalten haben müsse.

Gegen den am Donnerstag vorgeladenen Fotojournalisten Klaus W. verhängte das Gericht ein Ordnungsgeld von 500 Mark, weil er jegliche Aussage verweigert hatte. Der Fotograf sollte über die Entwendung einer Polizeipistole bei einer Demonstration am 8. November 1986 in Hanau aussagen. Selbst in die Pfanne gehauen hatte sich Klaus W., weil er seine Fotos dem 'Spiegel‘ verkaufte und somit dem Gericht nahelegte, sein Material sei „nicht als schützenswerte Unterlagen“ einzustufen.