Outlaw: „Irgendwo, aber hier auf keinen Fall“

■ Waller Beirat will Notunterkunft für 15 Drogenabhängige nicht im Stephanihafen haben / „Das führt zum Exodus“

„Dieser Standort ist ein Skandal“, rief der Familienvater K. nach rund einer Stunde hitziger Debatten in die Beiratssitzung, und die rund 100 BürgerInnen aus Walle klatschten heftig Beifall. Überfahren fühlen sie sich vom Bremer Senat, vor „vollendete Tatsachen gestellt“, weil das Drogenschiff bereits gekauft und ein Standort für die Notunterkunft für Drogenabhängige bereits bestimmt ist. „Hierhin nicht“, forderten die BürgerInnen am Dienstag abend vor etlichen Interessenvertretern immer wieder und mit immer abstruser werdenden Argumenten.

Ortsamtsleiter Bernd Peters hatte in der Sitzung zusammen mit Hans Leppin vom Amt für Soziale Dienste und dem Leiter der Drogenhilfe Bremen, Martin Grotjahn, das Projekt des sogenannten Drogenschiffs „outlaw“ vorgestellt. Das Segelschiff war nach monatelangen Verhandlungen und Diskussionen im Juli für 110.000 Mark gekauft worden. Seitdem wird es in arbeitsintensiver Selbsthilfe von Schützlingen der Drogenhilfe und einer Werft in Geversdorf (Cuxhaven) hergerichtet. Es soll als Ergänzung des spärlichen und auf die Bürozeiten beschränkten Beratungsangebots für 15 bis 20 Drogenabhängige Übernachtungsmöglichkeiten bieten. Sechs Mitarbeiter sind für die „Rund-um-die Uhr-Betreu

ung“ auf der „outlaw“ vorgesehen. Der Finanzsenator hat die Finanzierung bereits zugesichert. Außerdem liegen (seit November) aussichtsreiche Bewilligungsanträge beim Bundesfamilienministerium. Die Konzeption des Schiffs hat Vorbilder in Hannover, Hamburg, Berlin und Nürnberg. Wäsche waschen und Kochen können die Suchtkranken dann unter Anleitung auf dem Schiff, erläuterte Grotjahn einen Teil des Angebots, das die Abhängigen aus der nächtlichen Isolation von schummrigen Hotelzimmern locken soll.

„Das Schiff wird natürlich ein Kristallisationspunkt“, befand ein Bürger lapidar. „Es wird Kriminalität wie ein Magnet anziehen“, meinte ein anderer. „Dann können unsere Kinder in den Parks nicht mehr spielen“, die einzige Grundschule, der einzige Spielplatz des Stadtteils würden von Drogen gefährdet, alte Menschen trauten sich dann gar nicht mehr, ihre Tür aufzumachen, so die Argumente der AnwohnerInnen. Beifall braust auf. „An die amerikanischen GI's, die sich unter unserem Schlafzimmerfenster die Heroin -Spritze setzen, haben wir uns ja gewöhnt. Da wissen wir wenigstens: Die ziehen wieder ab nach Garlstedt“, bekundet Wahl-Waller K. „Hier funktioniert das Miteinander noch, obwohl wir eh schon genug Probleme haben“

sagt ein anderer und nennt die Waller Brennpunkte: „Männerstrich und Nutten“. Wenn jetzt auch noch die Drogenabhängigen kommen, die Dealer sich vor dem Schiffsanlegeplatz herumdrücken: „Das führt zweifellos zum Exodus.“ - „Heute ist es ein Schiff. Und was wird in zwei Jahren sein?“ - „Da wird viel zu viel mit Aufwand betrieben. Das ist doch eine gewollte Krankheit.

Fahrlässig herbeigeführt. Kriminell“. Nach einem vielleicht noch ironisch gemeinten „Kopf ab“, steht plötzlich „Arbeitslager“ lautstark im Waller Versammlungsraum.

Das ist dann doch zuviel: „Nicht so unqualifizierte Zwischenrufe“, so Ortsamtsleiter Peters energisch. Und Hans Leppin: „Ich hoffe, daß ich sowas nie erleben muß. Drogenabhängige sind

doch keine Aussätzigen. Außerdem haben auch sie Kinder. Ich bin Fachmann genug, um zu wissen, daß auch meine Kinder betroffen sein könnten,“ hält er aufgebracht der aufgebrachten Volksseele entgegen. „Wir haben uns den Standort des Schiffes nicht ausgesucht: Er wurde von Hafenkapitän und -behörde zugewiesen“, erläutert der Amtsvertreter, warum die „outlaw“

gegenüber vom „Schulschiff Deutschland“ in der Nähe von Kellogs stationiert werden soll. Das Schiff könne nur einen bestimmten Radius haben: Die Eisenbahnbrücke setze den Masten eine natürliche Grenze. Außerdem müsse das Schiff fußläufig für die Klientel erreichbar sein.

Daß man im unmittelbar betroffenen Stephaniviertel sich auch Problemgruppen stelle, warf Pastor von Zobeltitz in die Diskussion, da die Gemeinde allsonntäglich bis zu 90 schwer Alkoholabhängige betreue. „Wir müssen uns hautnah mit den Problemen auseinandersetzen,“ gibt ein Zuhörer aus dem Ostertor zu bedenken. „Die Informationspolitik muß stadtteilbezogen betrieben werden,“ fordert ein anderer. Und: „Wir müssen überlegen, wie wir alle Kräfte in Walle mobilisieren können, um die Drogenprobleme gemeinsam zu lösen.“ Die Experten werfen noch weitere Zahlen in die Debatte: 120 Drogenabhängige sind zur Zeit wohnungslos in Bremen. Therapieplätze sind rar. Auf Entgiftungsplätze müssen die Betroffenen derzeit sechs Wochen warten.

Der Beirat Walle lehnte das Schiff und den Standort gegen zwei Stimmen der Grünen und der FDP ab.

Birgitt Rambalski