Die Weltbank als zentrale Welt-Umweltbehörde

■ Vom Wissen ohne Konsequenz bis zum Handeln ohne Öffentlichkeit: Die Weltbank-Umweltabteilung hat sich bisher nicht aus den alten Zwängen gelöst / Eine Dokumentation

Weltbank-Präsident Barber Conable kündigte 1987 die Einrichtung einer Umweltabteilung der Weltbank an und weckte damit große Hoffnungen auf eine stärkere Berücksichtigung von Umweltfaktoren in der gesamten Geschäftspolitik der Weltbank.

Barbara Unmüßig hat die Politik der Weltbank -Umweltabteilung untersucht und kommt zu dem Ergebnis, daß sie derzeit ihrem Anspruch nicht gerecht wird.

Wir dokumentieren Auszüge aus dem Bericht, der im 'Sonderdienst des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung‘ erschienen ist. Bezug: ASK, Hamburger Allee 53, 6000 Frankfurt 90, Tel. 069/709060.

Die Weltbank hat sich bereits auf ihre mögliche Rolle als Koordinatorin von Umweltschutzaktivitäten in der Dritten Welt organisatorisch und konzeptionell vorbereitet und sich in eine von anderen internationalen Organisationen nahezu uneinholbare „Startposition“ begeben: In Umwelt- und Länderstudien erstellten verschiedene Arbeitsgruppen der Weltbank derzeit eine umfangreiche Datenbasis zur Umweltsituation in der Dritten Welt. Darüber hinaus werden von der Umweltabteilung (34 MitarbeiterInnen) und von den Umweltarbeitsgruppen der vier Regionalabteilungen (vier bis sechs MitarbeiterInnen) umwelt- und sozialverträgliche Projektkriterien mit entsprechenden Richtlinien und Projektdurchführungsbestimmungen erarbeitet. Neue Finanzierungsinstrumente für eine völlig neue Projektlinie Umweltprojekte und Umweltstrukturanpassungsmaßnahmen gehören ebenfalls zu den konzeptionellen Vorschlägen der Umweltabteilung, die derzeit Weltbank-intern erörtert werden.

Wissen ohne Konsequenz?

Konzeptionelle und methodische Schwächen der neuen Arbeitsinstrumentarien, unzureichende Kompetenzen der Umweltabteilung und der den Regionalabteilungen zugeordneten Umweltarbeitsgruppen sowie die gegenwärtige Kreditvergabepraxis lassen jedoch erhebliche Zweifel am Wirkungsgrad der neuen Umweltpolitik der Weltbank aufkommen.

Allein der Kriterienkatalog für die Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) weist beträchtliche Mängel auf: So enthält er keine Regelungen für eventuelle Projektalternativen. Ähnlich der bundesdeutschen UVP werden Projekt als mehr oder weniger umweltbedrohlich - im Jargon beschönigend: „umwelterheblich“ - eingestuft und mit entsprechenden Umweltschutzmaßnahmen versehen. Der völlige Verzicht auf Projekte mit eventuell langfristigen umweltzerstörerischen Auswirkungen ist nicht vorgesehen.

Vorarbeiten zu Richtlinien, die die Weltbank über die Verwendung und den Gebrauch von Asbest und anderen gefährlichen chemischen Stoffen erarbeiten will, kommen unter skandalösen Umständen zustande: Zu einem 1988 von der Weltbank organisierten Seminar wurden vor allem langjährige Berater der Asbest-Industrie eingeladen. Der Chef der Umweltabteilung, Piddington, hat zwar angeregt, ein unabhängiges Beratergremium einzurichten, das sich mit verschiedenen chemischen Giftstoffen auseinandersetzen soll. Zum einen ist es bisher bei dieser Absichtserklärung geblieben; zum anderen verleiht die Weltbank auch weiterhin mehrere hundert Millionen US-Dollar Kredite für chemische Substanzen sowie gesundheits- und umweltgefährdende Technologien, die in den Industrieländern entweder veraltet oder verboten sind. Hierzu bedarf es keiner langwierigen Studien und Anhörungen, sondern konkreter Richtlinien und Anweisungen, diese Substanzen und Technologien in Projekten und Programmen der Weltbank nicht mehr zu verwenden.

Eine zentrale Verantwortung der Weltbank für frühere Umweltzerstörungen durch ihre eigenen Projekte nimmt die Weltbank überhaupt nicht zur Kenntnis. So enthalten die Vorschläge keinerlei Überlegungen, wie etwa Sanierungsprogramme für „versalzte“ Bewässerungsprojekte, nachträgliche Umsiedlungsprogramme oder notwendige Renovierungsprogramme für Staudämme finanziert werden können. Die Folgekosten von Fehlplanungen und -kalkulationen, die die Weltbank selbst auf mehrere Milliarden beziffert, werden auf die Länder der Dritten Welt abgewälzt.

So breitet sich infolge von riesigen Staudämmen und Erschließungsstraßen Malaria in Gebieten aus, wo sie zuvor überhaupt nicht existent war, und verursachte immense Gesundheitsprobleme, die die unter Anpassungsprogrammen schon zusammengestrichenen Gesundheitsetats erheblich belasten. Erst kürzlich wurde Brasilien für ein Programm zur Malariabekämpfung in Amazonien ein Kredit über 99 Millionen US-Dollar bewilligt. Zum Einsatz kommt DDT, weil diese hochgiftige Substanz die kostengünstige Möglichkeit zur Malariabekämpfung ist und weniger schädliche Alternativen den Kredit für das hochverschuldete Brasilien zu sehr verteuert hätten.

Spätestens hier stellt sich die Frage, warum entstandene Folgekosten aus fehlgeplanten Weltbankprojekten nicht als Kompensationsleistung, sondern weiterhin als Kredite finanziert werden sollen. Die Empfehlungen der Umweltabteilung, gerade für Umweltaktivitäten zunehmend statt Kredite Zuschüsse einzusetzen, hätten gerade hier einen überlegenswerten Ansatzpunkt finden können.

Keine Beteiligung

der Öffentlichkeit

Die Umwelt-und Länderstudien sowie die Umweltaktionspläne sind nahezu ohne Beteiligung von Wissenschaftlern, Nichtregierungsorganisationen und der betroffenen Bevölkerung in der Dritten Welt erarbeitet worden. Die Forderungen von Umweltorganisationen nach einer Demokratisierung der internationalen Umweltpolitik und mehr Öffentlichkeit werden nicht einmal ansatzweise erfüllt. Lediglich eine Handvoll UmweltexpertInnen aus kooperationswilligen Organisationen dürfen Anregungen für mögliche Projektkriterien geben.

Freier Zugang zu allen relevanten Projektinformationen und die direkte Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) der Geber- und Empfängerländer am Projektfindungsprozeß werden zu den zentralen Forderungen der in Washington während der IWF-Weltbank-Tagung versammelten NGOs gehören. Dieser Informationszugang ist um so notwendiger, da die Weltbank über die Funktion einer Clearing-Stelle auch für den Umweltbereich notwendige Daten zentralisiert und dieses Wissensmonopol zu weiterer (umwelt-)politischer und finanzieller Abhängigkeit zahlreicher Dritte-Welt-Länder von der Weltbank führen wird.

Die Umweltabteilung

ohne Einfluß

Die Umweltabteilung bringt zwar ständig eine Vielzahl von Sektoranalysen, Richtlinien und Kriterienkataloge für sozial - und umweltverträgliche Projekt- und Sektorprogramme hervor. Sie arbeitet jedoch weitgehend losgelöst von den regionalen und sektoralen Exekutivbereichen der Weltbank und hat kaum einen nennenswerten Einfluß auf die gegenwärtige Kreditvergabepraxis insgesamt. Die Projekt- und Länderverantwortlichen zeigen wenig Interesse, die Umweltabteilung und die Umweltarbeitsgruppen in ihre Arbeit einzubeziehen. Denn zeitintensive Untersuchungen zu den Umweltwirkungen der Kreditpolitik verhindern einen zügigen Finanzmittelfluß: Die Mitarbeiter werden eher dafür belohnt, die Kreditlinien zu erhöhen als dafür, das Geschäft aus Gründen des Umweltschutzes zu verlangsamen.

Die Schlüsselrolle, die die Weltbank im Schuldenkrisenmanagement einnimmt und die damit verbundene Kapitalerhöhung der Weltbank vom letztem Jahr, hat den Druck zu einem zügigen „Mittelabfluß“ noch weiter erhöht. Bei 21 Milliarden US-Dollar Neuzusagen im Geschäftsjahr 1989 erscheint es mehr als fragwürdig, ob bei solchen Riesensummen die kleine Umweltabteilung ihren Aufgaben überhaupt nachkommen kann. Außerdem wurdem im Zuge der Reorganisation der Weltbank zahlreiche MitarbeiterInnen aus den Empfängerländern abgezogen, so daß auch die in vielen Fällen notwendige Ortskenntnis zur Beurteilung von umweltbedrohlichen Faktoren in den Projekten verloren ging. (...)