Multikultur - ein Embryo

Daß sich gerade der ehrenamtliche Multikulturdezernent Daniel Cohn-Bendit auf der Kreisversammlung der Grünen so engagiert für den Fortbestand der rot-grünen Koalition in Frankfurt ins Zeug legte, hat seinen Grund: Für ihn wäre es besonders bitter gewesen, aufhören zu müssen, ohne richtig angefangen zu haben. Schließlich will er aus dem Amt keine „Spielwiese grüner Befindlichkeit“ machen, wie der exponierte Realo mit Blick auf die Begehrlichkeiten seiner eigenen Parteifreunde hervorhebt. Das Amt sei vielmehr eine „gemeinsame Aufgabe aller Fraktionen im Stadtparlament“.

Und damit meint Cohn-Bendit wirklich alle, auch die NPD -Abgeordneten. „Ich rechne mit den Stadtverordneten der NPD, weil sie demokratisch gewählt sind“, hat er vor der Stadtverordnetenversammlung gesagt, denn: „Es wäre wenig klug, sich nicht mit dem Geist auseinanderzusetzen, der sie hier hineingetragen hat. Ich rede nicht von den möglichen Demagogen, sondern von den Menschen, die sie gewählt haben.“ Diese Menschen hätten schließlich mit den Fremden, die zu uns kommen, mehr gemeinsam, als sie ahnten oder ihnen lieb sei, denn sie alle stünden - zusammen mit den AusländerInnen - auf der Seite der „Modernisierungsverlierer“.

Für Cohn-Bendit hat der Magistrat der Stadt Frankfurt mit der Einrichtung seines Amtes dokumentiert, daß er die multikulturelle Gesellschaft als Realität anerkennt. Und darauf will der Amtsinhaber aufbauen. Auf seinem Weg zur Gestaltung der „menschlichen Metropole“ geht der als Ideologe bekanntgewordene Herausgeber des Stadtmagazins 'Pflasterstrand‘ durchaus pragmatisch vor. Für den 30.Oktober hat Cohn-Bendit alle Ausländergruppen der Stadt zu einem großen Hearing geladen, wo die Wahlsatzung für einen Frankfurter Ausländerbeirat festgeklopft werden soll. Ohne das Ziel Kommunalwahlrecht aus den Augen zu verlieren, müsse eine Form der autonomen Repräsentation der ausländischen BürgerInnen gefunden werden - und dazu bedürfe es einer „sensiblen Eruierung“ ihrer Bedürfnisse.

Längst liegen dem Dezernenten Berge von Anfragen, Anregungen und konkreten Projektwünschen vor. Das reicht von Raumproblemen ausländischer Gruppen bis hin zu Schul- und Wohnungsfragen. Daß die Bewältigung all dessen mehr finanzielle Mittel verschlingen wird, als dem „kleinen Ämtchen“ (Cohn-Bendit) zur Verfügung stehen werden, weiß er nur zu gut. Deshalb schwebt ihm die Bildung eines Fonds vor, aus dem dringende oder auch ungewöhnliche Leistungen, Einrichtungen oder Aktivitäten finanziert werden sollen. In diesen Fonds sollen Industrie- und Handelskammer, die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, die verschiedenen religiösen Gruppen in der Stadt und auch die Sportvereine Gelder einzahlen. Cohn-Bendit: „Da kann mir dann auch keiner den Vorwurf der Verschwendung öffentlicher Gelder machen.“

Lange genug hatte es gedauert, bis der Ehrenamtliche sein Büro mit Schreibtisch, Telefon und Stuhl ausgestattet bekam. Doch immer noch ist er Einzelkämpfer - sieht man von der kommissarisch bei ihm arbeitenden und bisher von den Grünen bezahlten Irene Katheeb ab - übrigens eine der wenigen wirklich netten Menschen mit grünem Parteibuch. Erst Mitte September hat die Stadtverordnetenversammlung die geplanten fünf Stellen für das multikulturelle Dezernat verabschiedet, die Ausschreibungsfrist läuft jetzt.

Cohn-Bendit selbst ist ständig auf Achse und sucht das Gespräch mit den ausländischen BürgerInnen der Stadt. Für das nächste Jahr plant er zum Tag gegen den Rassismus eine „große Aktion“, in die auch alle Schulen der Stadt einbezogen werden sollen. Am Ende aller propagandistischen und praktischen Bemühungen soll dann einmal die Verwirklichung der „maximalen Zielsetzung“ des Amtsinhabers stehen: die doppelte Staatsbürgerschaft, die selbstverständlich alle Wahlrechte einschließe: „Moderne Großstädte sind multikulturell, oder sie sind nicht modern“, sagt er kategorisch. Und Frankfurt habe doch schon immer die modernste aller bundesdeutschen Metropolen sein wollen.