Bahr: Die DDR stabilisieren

Bonn (taz) - Die Bonner Spitze der Sozialdemokraten bemühte sich gestern, die stabilitätspolitische Schiene ihrer Deutschlandpolitik zu betonen. In einem Brief an die Führungen der Sowjetunion, der DDR und der andereren Warschauer-Pakt-Staaten versicherte das Parteipräsidium, die Sozialdemokraten würden an ihrer bisherigen Politik festhalten und insbesondere die Nachkriegsgrenzen auch weiterhin für unveränderlich halten.

Dieser Brief sollte künftigen Irritationen angesichts der neuen Wiedervereinigungsdebatte entgegenwirken - bei der selbst Willy Brandt „die deutsche Frage auf der Tagesordnung“ erblickt hatte.

Präsidiumsmitglied Egon Bahr plädierte gestern für eine „Akzentverschiebung der öffentlichen Diskussion“: Auf der Tagesordnung stehe „keine Lösung der deutschen Frage“, sondern die Sicherheit Europas. Das Ziel von Sicherheitspartnerschaft und Abrüstung müßte „erste Priorität“ haben. Egon Bahr bezeichnete es als ein „Alarmzeichen“, daß die „bewährte Politik der kleinen Schritte“ von vielen Menschen in der DDR für nicht mehr ausreichend gelte. Die Methode des Ostberliner Anwalts Vogel - „das i-Tüpfelchen der Politik der kleinen Schritte“ würde nicht mehr greifen angesichts der „neuen deutschen Not“.

Bahr forderte ein baldiges Spitzentreffen von Helmut Kohl und Erich Honecker, hielt sich aber seinerseits bedeckt, worin die von ihm geforderte „neue Qualität“ von Politik gegenüber der DDR bestehen solle. Er umschrieb nur das Ziel: Die Menschen in der DDR müßten eine Perspektive gewinnen, um zu bleiben, und der Flüchtlingsstrom müsse „für immer gestoppt“ werden. Eine derartige Stabilisierung der DDR sei nicht mit einer Stabilisierung der heutigen SED gleichzusetzen.

Ch. Wiedemann