Es sieht ja keiner!

■ Betr.: Anzeige "Radarwarner", taz vom 27.9.89

betr.: Anzeige „Radarwarner“, (Wiese) taz vom 27.9.89

Ja, das ist doch toll, den kauf ich mir. Wenn ich schon für Tempo 100 bin und für 30 in Wohngebieten und aus'm ADAC austreten (weil der ist ja gegen Tempo 100 und so) und in den alternativen (na wie heißt der denn noch? Is‘ ja auch egal, die Anzeige gab's auch bei Euch inner taz), also da eintreten will, und weil ich mich ja auch ärgere, wenn ich schon bei 80 in Wohngebieten 170 Mark aufgebrummt kriege, dann kann ich doch jetzt endlich mit ruhigem Gefühl sonst wo und wie durchbrettern. Es sieht ja keiner! Der kommt bestimmt auch aus Amerika, da haben die den ja schon fast alle; soll auch ein geiles Gefühl sein, so sicher und so und so ausgekocht.

Ich hab‘ mir auch 'nen Aufkleber neben mein Tempo-100 -Schild geklebt: Ich bremse auch für Männer.

Beate Rudolph, Affinghausen

Jährlich sterben in der BRD 10.000 Menschen im Straßenverkehr. Die Zahl der Schwerverletzten geht in die Hunderttausende. Abgesehen von diesen Unfallopfern sind wir alle ständig von Autoabgasen in der Luft und durch den Lärm des Straßenverkehrs direkt gesundheitlich und indirekt durch die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen betroffen. Die Belastung steigt sowohl hinsichtlich der Unfallgefährdung als auch hinsichtlich der sonstigen negativen Auswirkungen des Autoverkehrs überproportional mit der Verkehrsgeschwindigkeit der Fahrzeuge.

Aus diesem Grund kämpfen mehr und mehr Menschen in AnwohnerInnen- und BürgerInneninitiativen für Geschwindigkeitsbegrenzung beziehungsweise deren Einhaltung und gegen BetonkopfpolitikerInnen, Autoindustrie und BleifußfanatikerInnen des ADAC.

In dieser Situation druckt die taz in ihrem Anzeigenteil eine Annonce für einen Radarwarner ab, der es bei Garantie erlaubt, Radarfallen rechtzeitig aufzuspüren, der es erlaubt, weiterhin mit Tempo 70 durch Wohnstraßen zu brettern und sich die „große BürgerInnenfreiheit“ auf der Autobahn auch beim „Terror“ einer Geschwindigkeitsbegrenzung zu holen.

Das einzige, was durch einen Radarwarner effektiv unterlaufen wird, ist die schwierige Arbeit von Initiativen, die sich für eine lebbare Welt einsetzen. Die Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung wird sinnlos, wenn sich jedeR AutofahrerIn durch einen Radarwarner unbehelligt darüber hinwegsetzen kann. (...)

Gebhard Morscher, Kassel