Die FMLN-Fahne an der Kathedrale San Salvadors

■ 45 Kriegsverletzte der Guerilla haben sich in der Kathedrale der Hauptstadt niedergelassen, um eine Ausreise ins Ausland zwecks medizinischer Behandlung durchzusetzen / Präsident Cristiani will bereits beschlossene Ausreise zur Verhandlungsmasse machen

Berlin (taz) - Anderthalb Monate hängt nun schon die Fahne der FMLN an der Mauer der Kathedrale im Zentrum von San Salvador. Neun kriegsversehrte Guerilleros hatten sich am 20.August im Kirchengebäude niedergelassen, um ihrer Forderung nach Ausreise in ein neutrales Land Nachdruck zu verleihen. Inzwischen halten bereits 45 schwerverwundete FMLN-Kämpfer die Kathedrale symbolisch besetzt, um für sich und weitere 120 Genossen, die sich in verschiedenen Lazaretten der Guerilla befinden, eine medizinische Behandlung im Ausland durchzusetzen.

Doch die rechtsextreme Regierung stellt sich quer. Präsident Alfredo Cristiani erklärte das Problem der Kriegsverletzten jüngst zur Verhandlungsmasse im für den 16.Oktober in Costa Rica angesetzten Dialog zwischen Regierung und Guerilla. Sein Vize, Innenminister Francisco Merino, hält die friedlichen Besetzer der Kathedrale schlichtweg für „Terroristen“, die als solche bestraft werden müßten.

Die FMLN ihrerseits weist nun in einer Erklärung vom Wochenende darauf hin, daß die Evakuierung der Kriegsversehrten nicht Gegenstand von Verhandlungen oder ein Akt des guten Willens sein könne. Die Regierung sei vielmehr gemäß der von El Salvador bereits 1953 unterzeichneten Genfer Konvention und dem zweiten Zusatzprotokoll von 1978 verpflichtet, den Verletzten die Ausreise ins Ausland zu ermöglichen. Zudem verweist sie auf das Abkommen, das Guerilla und Regierung unter Vermittlung des deutschen Bischofs Emil Stehle 1987 in Panama abgeschlossen haben und das explizit festhält, daß Evakuierungen von Verwundeten nicht mehr Gegenstand gesonderter Verhandlungen sein sollen.

Vor dem Abkommen von Panama hatte die FMLN wiederholt Zivilpersonen entführt, um die Evakuierung kriegsverletzter Guerilleros zu erzwingen. So kidnappte sie bereits 1985 Ines Duarte, die Tochter des damaligen christdemokratischen Präsidenten, und ließ sie erst im Austausch mit über hundert Verwundeten wieder frei. 1987 erpreßte sie mit der Entführung des Chef der zivilen Luftfahrt die Ausreise weiterer Kriegsversehrter. Über 270 Verwundete wurden vom Internationalen Roten Kreuz seit 1984 ins Ausland ausgeflogen.

Noch kurz vor seiner Amtsübergabe hatte Präsident Jose Napoleon Duarte im Mai die Evakuierung von etwa hundert Guerilleros zugesagt. Doch die rechtsextreme Arena, die heute den Präsidenten stellt, blockierte mit ihrer Parlamentsmehrheit die Ausreise der Kriegsversehrten. Für Oberst Orlando Montano etwa, Mitglied des Oberkommandos der Streitkräfte und Vizeminister für Öffentliche Sicherheit, sind die Kriegsversehrten schlichtweg Verbrecher, deren Ausreise eine Respektlosigkeit gegenüber den Streitkräften bedeuten würde.

Bislang scheinen die Militärs aber immerhin noch die größere Respektlosigkeit hinzunehmen, daß seit sechs Wochen eine FMLN-Fahne an der Kathedrale der Hauptstadt hängt. Wie lange noch? Bereits hat eine Todesschwadron die Ermordung der Besetzer angekündigt. „Wir verlangen, daß die Regierung die Genfer Konvention respektiert“, heißt es auf einem Transparent am Gotteshaus. „Die internationalen Gesetze sind in diesem Fall nicht anwendbar“, antwortete jüngst Justizminister Francisco Guerrero, „da in El Salvador kein regulärer Krieg herrscht, es gibt keinen erklärten Krieg.“

thos