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Anfänge der freien Presse

■ Presseforscher tagten in Bremen über deutsche Reaktionen auf die Französische Revolution

30 Wissenschaftler aus vier Ländern haben sich im Bremer Presseclub in diesen Tagen ein Thema aus der Frühgeschichte des Zeitungswesens vorgenommen: Die Reaktionen der deutschen „Öffentlichkeit“ auf die Französische Revolution. Nicht um die bekannten Namen sollte es da gehen, sondern um die Zeitungen, die die Nachrichten in die Dörfer und Städte getragen haben. Die Presse

war sehr engagiert, authentisch zu berichten und die Berichte mit eigenen moralischen Ansprüchen zu konfrontieren, faßte der Bremer Presseforscher Dr. Hartwig Gebhardt zusammen. Die Presse „könnte in vielem sogar als Vorbild dienen“, meinte sein Kollege Dr. H. Böning. Denn obwohl hier und da Zensur-Beamte saßen, ist die deutsche Bevölkerung doch schnell und oft sehr detailliert informiert worden.

Die Din-A-5-Blätter, die meist zweimal wöchentlich erschienen, druckten Zuschriften von den Orten des Geschenhens, hatten aber auch schon eigene Korrespondenten. An der Spitze des Pressewesens stand die „Hamburgische unparteiliche Korrespondenz“ mit einer wachsenden Auflage, die bei 10.000 begann und im frühen 19. Jahrhundert über die 20.000 hinauswuchs.

Auch die zumeist des Lesens unkundige bäuerliche Bevölkerung war informiert, sonntags wurde in den Wirtshäusern aus den Zeitungen vorgelesen. Solidarisch im politischen Sinne dachten die Bauern aber nicht un

bedingt, berichtet der Ostberliner Sozialhistoriker Prof. Peters. „Betroffen“ und interessiert waren alle aber, wenn die Kunde aus den fernen Ländern Krieg bedeutete. Dann nämlich war mindestens mit zusätzlichen Abgaben und Rekrutierungen zu rechnen.

Schon im Jahre 1789 gab es in Deutschland eine entwickelte Presse, im 19. Jahrhundert kamen Blätter hinzu, die sich an das einfache Volk richteten. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts - 1848/9 - ließen sich deutsche Handwerker und Gesellen von

den Unruhen jenseits des Rheins zu eigenen Aktionen anstiften.

Auf heftiges Interesse stießen die Berichte über die Französische Revolution aber auch schon in den auf „1789“ folgenden Jahren. In einigen Zeitungsberichten ist eine regelrecht subversive Technik angewandt, zum Beispiel die eingehende Schilderung von Vorgängen und revolutionären Parolen mit dem Satz abgeschlossen, es handle sich selbstverständlich um ein „Zeugnis verabscheuenswürdigen Denkens“.

K.W.

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