Wie das Wasser für die Bombay erreichte

■ Alfred Hempel Schwerwasser-Transporte rollten durch die BRD / Sowjetunion benutzte den Schieber, um Indien Deuterium zu verschaffen

Es sieht aus wie Leitungswasser, ist eigentlich auch genauso harmlos und dennoch ein heikler Stoff: Schweres Wasser, chemisch: D2O - Deuteriumoxid. Als „strategische Komponente“ bei der Gewinnung von Plutonium ist der internationale Handel mit D2O scharfen Restriktionen unterworfen, deren trickreiche Umgehung wiederum finanziell äußerst attraktiv. So werden auf dem strahlenden Schwarzmarkt mit dem brisanten Naß Bomben-Geschäfte gemacht. Als Waschmaschine für Schweres Wasser wirkte rund 15 Jahre ein Düsseldorfer Firmenkonsortium. Sie rotierte - den Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages zum Trotz - unter den Augen der hiesigen Behörden. Doch auch im wichtigsten Lieferland, der Sowjetunion, fiel schmutzige Wäsche an. Die taz recherchierte...

Verschwunden sind die beiden chinesischen Löwen aus Marmor, die - ein Geschenk zum 65.Geburtstag des Chefs - mit steinerner Mine die letzten vier Jahre die Geheimnisse des Firmenhauptsitzes in der Düsseldorfer Cecilienallee bewacht hatten. Die weitverzweigte Firmengruppe ist größtenteils verkauft. Der Chef selbst ist im August verstorben. Ein „erleichtertes Aufatmen“ will ein Brancheninsider in der bundesdeutschen Atomindustrie verspürt haben: Wieder ist ein skandalträchtiger Name aus der befleckten strahlenden Zunft getilgt. Der Name: Alfred Hempel.

Doch die jahrelangen Hilfsdienste des Düsseldorfer Rohstoffhändlers für fast ein halbes Dutzend auf Atomwaffen versessene Diktaturen werden weiterhin - auch politische Sprengkraft entfalten. Nicht nur, weil der Fall Hempel im Abschlußbericht des Bundestagsausschusses zum Atomskandal wohl ein dickes Kapitel abgeben wird. Hempels atomare Schwarzmarktgeschäfte werden ebenso wie die zahlreichen anderen im Gefolge der Transnuklear-Affäre aufgedeckten Exportskandale womöglich weitreichende Auswirkungen auf das weitere Schicksal des Atomwaffensperrvertrages haben.

An Kontinuität und Umfang dürften Hempels weltweite Bombengeschäfte alle bisher ans Licht gekommenen Atomschiebereien übertreffen. Über gut 15 Jahre hinweg lieferte sein weitverzweigtes Firmenkonsortium sensibles Nukleargut an so gut wie alle Staaten, die aus gutem Grund die Ratifikation des Atomwaffensperrvertrages bis heute verweigern: Israel, Pakistan, Indien, Südafrika und Argentinien. Der dickste Hammer aber: Die Hempel-Männer operierten streckenweise unter den Augen bundesdeutscher und schweizerischer Behörden. Dokumente aus dem Bereich der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) in Wien und der deutschen Zollfahndung, die der taz vorliegen, belegen außerdem: Auch Stellen der UdSSR haben bei ihren Geschäften mit Hempel bewußt in Kauf genommen, daß die politischen Ziele des Atomwaffensperrvertrages unterlaufen wurden.

In die internationalen Schlagzeilen gerieten die strahlenden Geschäfte der Hempel-Gruppe, nachdem im Frühjahr letzten Jahres die norwegische Zeitung 'Verdens Gang‘ einen dubiosen Transfer aus dem Jahre 1983 enthüllt hatte: Hempel hatte im Dezember jenen Jahres von der Firma Norsk Hydro 15 Tonnen Schweres Wasser (Deuteriumoxid D2O) gekauft, angeblich zur Lieferung in die BRD, das Material dann aber nach Basel umgeleitet und zusammen mit weiteren 4,7 Tonnen aus der UdSSR über die Vereinigten Arabischen Emirate nach Indien verschoben. Schon 1986 enthüllte der WDR einen ähnlichen Deal: Im Juli 1985 hatte Hempel sechs Lieferungen D2O - angeblich für diverse westeuropäische Firmen bestimmt

-aus der UdSSR geordert, in Zürich die Frachtpapiere vertauscht und den Stoff ebenfalls via Basel und Emirate nach Bombay geschleust. Während der WDR-Bericht damals hierzulande keine großen Wellen schlug, brachten die Enthüllungen aus Norwegen - Öffentlichkeit, Medien und Politiker waren durch den Transnuklear-Skandal sensibilisiert - die Düsseldorfer Schieber ins Visier des Bonner Untersuchungsausschusses.

Schweres Wasser zu Cola

Dessen Untersuchungen brachten mit mehrjähriger Verspätung schließlich im Herbst letzten Jahres auch Staatsanwaltschaft und Zollfahndung in Düsseldorf auf Trab. Die hatten sich zuvor beharrlich für unzuständig erklärt mit der Begründung, Hempel habe seine fragwürdigen Geschäfte über ausländische Firmen abgewickelt und die Ware dabei nie bundesdeutsches Wirtschaftsgebiet berührt. Nun raffte man sich zu einer Außenwirtschaftsprüfung in der Düsseldorfer Hempel-Zentrale auf. Und siehe da: In mindestens drei Fällen waren Transporte sehr wohl über Bundesgebiet gelaufen.

Neben der seriösen Belieferung ebenso seriöser Kunden wie etwa dem Kernforschungszentrum Karlsruhe oder dem Max-Planck -Institut in Garching widmete sich die Hempel-Gruppe intensiv sogenannten „Sondergeschäften“. Der im Januar 1989 fertiggestellte „Bericht über die Prüfung bei der Firma Alfred Hempel GmbH“ der Düsseldorfer Betriebsprüfungsstelle Zoll (Aktenzeichen: AB Nr. 555/88 - Bp Z 602; Vermerk: VS -vertraulich - amtlich geheimgehalten) läßt die Dimensionen dieser „Sondergeschäfte“ über die Jahre hinweg erahnen: Die Prüfer stellten fest, daß die Hempel GmbH allein im angesetzten Prüfungszeitraum von „Dezember 1983 bis November 1987 insgesamt rund 194,6 Tonnen Schweres Wasser, größtenteils in reaktorfähiger Virgin-Qualität im Gesamtverkaufswert von rund 127 Millionen DM über die Firma ORDA AG/Schweiz nach Indien geliefert und dabei einen Profit von rund 24 Millionen DM erzielt hat“.

Die Firma ORDA AG hatte das Ehepaar Hempel 1981 in der schweizerischen Steueroase Zug installiert, um - wie bereits 1982 ein britischer Geheimdienstreport vermerkte - „aus einer kontrollfreien Zone operieren zu können, wo ihm keine peinlichen Fragen gestellt würden“. Jedenfalls stellten die Düsseldorfer Zollprüfer fest, daß „sämtliche Lieferungen von Schwerem Wasser nach Indien über die Firma ORDA AG, Zug/Schweiz, gelaufen“ sind.

Das Geschäft, so der Report weiter, habe für die ORDA „sicherlich ein großes Risiko“ dargestellt, „da das Marktangebot von Schwerem Wasser ohne Vorlage von sogenannten Endverbleibsbescheinigungen immer schwieriger geworden ist“. Tatsächlich ist der Handel mit Schwerem Wasser gemäß den Londoner Richtlinien von 1977, einem Zusatzabkommen zum 1970 in Kraft getretenen Sperrvertrag, wegen seiner strategischen Bedeutung ab einer Menge von 1.000 Kilogramm meldepflichtig. Denn Schweres Wasser dient als Moderator in einem Reaktortyp, in dem der Bombenstoff Plutonium direkt aus Natur-Uran, also ohne den teuren Umweg über die technisch komplizierte Anreicherung, gewonnen werden kann.

Um die Düsseldorfer Mutterfirma aus den Deals herauszuhalten, so die Prüfer weiter, seien vornehmlich der Einkauf in der VR China und der Verkauf nach Indien über die ORDA gesteuert worden. Pro forma wurden zwischen der ORDA in Zug und der Mutterfirma in Düsseldorf mündlich „interne“ Kaufverträge abgeschlossen. Daß den Beteiligten die Fragwürdigkeit ihrer Deals sehr wohl bewußt war, zeigt der umfangreiche Telexverkehr zwischen dem akkreditierten Büro Hempels in Peking und der ORDA in Zug, der den Zollbeamten in der Düsseldorfer Cecilienallee in die Hände fiel: Damit Dritten der wahre Charakter der Geschäfte verborgen blieb, wurde das Schwere Wasser im Telexverkehr als „Coca Cola“ bezeichnet.

Lechzen nach Hempel-Wasser

Nach dem Studium der umfangreichen Firmenbuchhaltung kommen die Zollexperten im Übrigen zu dem Schluß, die ORDA habe wohl nicht alle Schwerwassergeschäfte in ihren Büchern erfaßt. Nebenbei wurde wohl auch die Schweizer Steuer beschissen. So fanden die Zöllner in den Hempel-Büchern nur Unterlagen über D2O-Geschäfte mit Indien, nicht aber mit Argentinien, dem zweitwichtigsten Kunden Hempels. Der taz liegen Frachtbriefe (siehe Faksimile) der West Africa Airline (WAAL) aus dem Jahre 1984 - also aus dem Prüfungszeitraum - über D2O-Lieferungen der ORDA an Argentinien vor. Die 200 Tonnen D2O für Indien, die die Zollprüfer aus Hempels Buchhaltung rekonstruierten, sind also nur ein Teil der gesamten Hempel-Aktivitäten mit diesem Stoff in den Jahren 1984 bis 1988. Ganz zu schweigen von den Jahren davor: Ein Vermerk des Bundesnachrichtendienstes vom Dezember 1982 listet allein für die Monate Juli bis November jenes Jahres mehrere Lieferungen nach Indien (insgesamt 60 Tonnen) und Argentinien (10 Tonnen) auf. Experten schätzen, daß Hempel im Laufe der Jahre an die 500 Tonnen D2O in atomare Schwellenländer geschleust und damit wesentlich zu deren militärischen Atomprogrammen beigetragen hat.

Seine Karriere auf dem Schwarzmarkt für sensible Nuklearutensilien ist bis in die frühen siebziger Jahre zurückzuverfolgen. 1973 besorgte er einer Luxemburger Firma (sie ist inzwischen bei „Euratom“ wegen der Umleitung abgereicherten Urans nach Israel aktenkundig) Schweres Wasser zum Weiterverschub nach Israel. Über seine erste schweizer Tarnfirma, die „Adero-Chemie“ in Genf, belieferte er spätestens ab Jahresanfang 1975 die Erzfeinde Pakistan und Indien gleichzeitig mit Schwerem Wasser und anderen Komponenten. Woher der Stoff seinerzeit stammte, ist kaum mehr zu klären. Dafür jedoch, wie die Pakistanis auf Hempel kamen: auf dem höchstoffiziellen Weg über die deutsche Botschaft in Islamabad! Dorthin hatten sich die seit jeher auf Atomkram Made in Germany versessenen Bombenchemiker des Dr. Khan mit der Frage nach Schwerwasser-Händlern gewandt. Der Botschafter reichte die Bitte an die Fachleute vom Kernforschungszentrum Karlsruhe weiter, welche ihren Hauslieferanten Hempel empfahlen.

Wichtigster Hempel-Kunde jedoch wurde die Konkurrenz im verfeindeten Nachbarstaat Indien. Seit der „friedlichen Kernexplosion“ in Indien 1974 liegen die Atomiker Indiens und Pakistans in einem fieberhaften Wettlauf um die Bombe. Beide setzen neben der mittlerweile aufgebauten Urananreicherung bis heute auf Natururan-Reaktoren, die Schweres Wasser als neutronen-bremsenden Moderator benötigen. Nach dem „friedlichen“ Knall der indischen Bombe stellte der bisherige Lieferant Kanada alle Schwerwasserlieferungen ein. Bald werkelten Indiens Atomtechniker an einer eigenen Schwerwasser -Produktionsanlage. Doch die brachte es noch in den Jahren 1977/78 auf gerade 14 Tonnen anstatt der erforderlichen 300 pro Jahr. Zwar belieferte die Sowjetunion Indiens Atomprogramm ganz offiziell mit D2O. Allerdings nur für jene Anlagen, welche die Inder freiwillig der Überwachung durch IAEA-Safeguards unterstellt hatten.

Für die geheimen militärischen Atomprojekte mußten andere Quellen erschlossen werden. Hempel ließ sie sprudeln. Experten sind davon überzeugt, daß erst Hempels Lieferungen das Anfahren des militärischen Schwerwasser-Reaktors Kalpakkam bei Madras 1985 ermöglichte. Ein Leck, durch das die wertvolle Moderatorflüssigkeit austrat, hatte die Inbetriebnahme verzögert. Hempel sorgte für Ersatz. Der ehemalige Wehrmachtsleutnant hat sich wahrlich um die indische Bombe verdient gemacht.

Schon in den Jahren 1980/81 war Hempel unter Vermittlung durch Pariser Waffenhändler-Kreise zum Lieferanten der argentinischen Generäle avanciert. Auch deren Atomtechniker versorgte er mit Schwerwasser, zeitweise auch mit Uran. Jedenfalls umfaßte sein Angebot Stoff „für alle Stufen des Brennstoffkreislaufes“. Zu jener Zeit hatte der „Hirnhändler“, wie er sich selbst gerne nannte, gerade neue Geschäftskontakte nach Fernost angebahnt. Wie schon Jahre zuvor in der UdSSR beackerte er als kaufmännischer Pionier nun den Atommarkt in der Volksrepublik China.

Vertrag mit Indern

Eigentlich wollte Hempel dort dick ins Entsorgungsgeschäft einsteigen und abgebrannte Brennelemente aus europäischen Atommeilern in der Wüste Gobi verbuddeln lassen. „Seit Ende 1983“, notierte ein Beamter im Wirtschaftsministerium damals, „finden zwischen der China Nuclear Energy Industry Corporation und einem deutschen Firmenkonsortium unter Federführung der Firma Hempel KG Verhandlungen“ statt. „Denkbar“, witterte sogleich der auf Export um jeden Preis geeichte Ministerialbeamte, „wäre die Nutzung einer derartigen Transaktion für von deutschen Firmen exportierte Kernkraftwerke.“ Ruck zuck wurde die Firma Inter-Nuclear gegründet - zusammen mit Nukem (35 Prozent) und Transnuklear (zehn Prozent); die Mehrheit von 55 Prozent hielt der Düsseldorfer Hirnhändler. Doch auch eine Privataudienz bei Minister Bangemann konnte es nicht verhindern: Kapitalkräftigere Firmen drückten Hempel aus den Verhandlungen, die bis heute auf kleiner Flamme weiterköcheln. Doch in der Branche, so ein Nukem-Mann zur taz, gilt Hempel unbestritten als „der Erfinder des China -Geschäfts“.

Mehr Glück hatte Hempel in China mit seiner Hausmarke D2O: Die China National Chemicals Import & Export Corporation und die Firma Sinochem wurden lange Jahre Hempels Hauptreservoir für Schweres Wasser. Nachdem jedoch westliche Diplomaten und Vertreter der IAEA in Peking interveniert hatten, stellten sie im Spätsommer 1984 vorübergehend die Lieferungen ein und waren nur noch gegen Vorlage amtlicher Einfuhrbescheinigungen zu weiteren Geschäften mit Hempel bereit. Hempel saß in der Zwickmühle: Die verlangten Papiere konnte er natürlich nicht vorlegen, andererseits drängten die Inder auf Einhaltung der vertraglichen Lieferverpflichtungen.

Am 1.August 1983 hatten die Düsseldorfer nämlich mit dem „Directorate of Purchase and Stores“ in Bombay einen Rahmenvertrag (Nr. dps/cpu/211 -iii- dt) über die weitere langfristige Belieferung mit D2O „from Europe to Bombay“ abgeschlossen. In einem Addendum Nummer II vom 31.August 1983 wurde ein Preis von 310 US-Dollar pro Kilo vereinbart. Die Rechnungen gingen jeweils an den „Finance & Account Officer“ des „Department of Atomic Energy“.

Um die Lieferverpflichtungen gegenüber den indischen Bombenbauern erfüllen zu können, kam es im Dezember 1983 zu jenem verworrenen Transfer, der Hempel im Frühjahr 1988 zu weltweiten Schlagzeilen und letztlich Bonner Untersuchungsausschuß-Ehren verhalf. Bei der norwegischen Firma Hydro Norsk orderte Hempel 15 Tonnen D2O, angeblich bestimmt für den Forschungsreaktor im Kernforschungszentrums Jülich. Mit dieser falschen Kundenangabe erschwindelte er sich beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Eschborn auch die internationale Einfuhrbescheinigung, auf der die Norweger bestanden hatten. Doch als die Chartermaschine der West Africa Airline am 1.Dezember vom Airport Oslo mit dem Stoff zu ihrem Flug Nummer KY 660 abhob, gab der Pilot dem Tower eine kurzfristige Flugplanänderung durch: Nicht Frankfurt, wie ursprünglich angemeldet, sondern Basel sei Zielort. Telefonisch wurde die Ware von der Hempel GmbH Düseldorf an die eigene Tarnfirma ORDA AG im schweizerischen Zug weiterverkauft. In Basel traf an diesem 1.Dezember auch ein LKW der sowjetischen Spedition „Sowtransawto“ (Kennzeichen: MAS-75-31 MKA) samt Anhänger (Kennzeichen: 68 -64 MB) ein. Die Ladung: weitere 4,7 Tonnen D2O, auf den Weg gebracht von der Firma „Izotop“ in Kiew. Sie wurden der WAAL -Maschine zugeladen, und ab ging es via Dubai nach Bombay. Preis der Lieferung: 6.153.500 US-Dollar.

Später gelang es Hempel vorübergehend noch einmal, Material aus China zu beschaffen - offenbar gegen „Aufpreis“. So geht aus einer Reisekostenabrechnung des Chefs vom 2.Mai 1985 hervor, daß er seinen Gesprächspartnern von der Pekinger Chemiefirma „Sinochem“ am 17.April 1985 umgerechnet 6.500 Mark Schmiergelder zahlte. Als Betriebsausgaben setzte er sie unter dem Titel „Bereinigung der Schwerwasserlieferungen“.

Trick mit 990 Kilo

Als langfristigen Ersatz für die versiegenden Kanäle aus der VR China zapfte Hempel allerdings ab 1984 wieder verstärkt sowjetische Schwerwasser-Quellen an. In die UdSSR, insbesondere zu deren Staatshandelsfirma „Techsnabexport“ (TSE) unterhielt er seit Mitte der siebziger Jahre exklusive Kontakte.

Als mittelloser Kriegsheimkehrer hatte der ehemalige Ostkämpfer Hempel in den Aufbaujahren im Dienste einer Getreidegroßhandelsfirma das Osthandelsgeschäft kennengelernt und die gewonnenen Kontakte auf eigene Rechnung ausgebaut. Seine 1968 gegründete Firma Rohstoff -Einfuhr-Osthandels-GmbH, Kernstück der späteren Hempel -Gruppe, tauschte zunächst Skibindungen und irische Textilien gegen Schleifbänder und Schweißpulver, verlegte sich aber bald auf Radiopharmaka, Isotope und anderen Strahlenkram. Hempel ergatterte mehrere Alleinvetriebsverträge mit Firmen der UdSSR, DDR und Polens.

Seinen dicksten Fisch zog „der Alte“, wie ihn seine Mitarbeiter nannten, 1978 an Land: Ein exklusives Agenturabkommen mit Techsnabexport über Urananreicherungsdienstleistungen in der UdSSR. Das Uran für die Brennstäbe von sechs bundesdeutschen Atommeilern wurde zuletzt in der UdSSR angereichert. Bei einem Provisionsvolumen von 200 Millionen jährlich kassierte Hempel pro Jahr eine halbe Million Mark. „Und das praktisch ohne nennenswerte Gegenleistung“, wie ein braver Zollamtmann wohl nicht ohne wehmütige Gedanken in seinem Bericht vermerkte.

Der Provisionsvertrag verschaffte dem vormaligen Gemischtwarenhändler eine strategische Position in der bundesdeutschen Atomgemeinde. Bislang waren die ehrgeizigen westdeutschen Atomiker bei der Anreicherung weitgehend vom Monopol der Amerikaner abhängig. „Knebelvertrag“ nannte Hempel-Manager Helmut Swyen vor dem Bonner Ausschuß die Abkommen mit den Amis. Der Provisionscoup beflügelte offenbar Hempels Phantasie, denn in internen Aufzeichnungen notierte er damals weitreichende Pläne über gemeinsame Firmengründungen und Beteiligungen etwa mit der Hanauer Nukem. Es blieb im wesentlichen bei Hirngespinsten. Auch aus dem Traum, sich eigene Uran-Quellen in Namibia zu erschließen, wurde nichts: Immerhin hatte er dazu eigens die „Alfred Hempel Bergbau“ und gleich drei Tochterfirmen in Windhoek gegründet.

Während die Lieferungen aus China relativ problemlos mit gecharterten Flugzeugen über die Flughäfen Dubai oder Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Indien oder Argentinien verfrachtet werden konnten, gestalteten sich die Transfers mit sowjetischem Material erheblich schwieriger. Die Partner in Moskau legten nämlich größten Wert darauf, nicht den leisesten Verdacht einer Verletzung internationaler Bestimmungen zu wecken.

Kern der Hempelschen Tarntechnik wurde der 990-Kilo-Trick: Die Liefermengen aus der UdSSR wurden in Teillieferungen von jeweils 990 Kilogramm gesplittet. Sie lagen damit unter dem meldepflichtigen Limit von einer Tonne. Die Teilmengen, angeblich für verschiedene Abnehmer in Westeuropa bestimmt, wurden nach Umwegen auf den Flughäfen Zürich-Kloten und Basel wieder zusammengeführt und dann per Charterflug via Dubai oder Sharjah nach Bombay geflogen. Beim Umladen auf den Drehkreuzen Zürich und Basel, spätestens aber beim Ziwschenstopp in den Emiraten wurde die Ladung, wie es im Zollbericht heißt, „neutralisiert und neu markiert“. Auf gut Deutsch: Die Frachtpapiere wurden ausgetauscht und die Aufschriften der Container umgepinselt.

Umweg über Liberia

Nach einer Verschärfung der Transitbestimmungen für Schweres Wasser in der Schweiz wurden ab 1986 zunächst die Flughäfen Wien und Amsterdam als zentrale Sammelplätze und Abflugorte der 990-Kilo-Portionen benutzt. Später, etwa ab 1987, wurden die immer riskanter werdenden Transporte in den westafrikanischen Küstenstaat Liberia ausgelagert und als „Treuhandgeschäfte“ über die beiden Firmen Velsona und Beryl in Monrovia abgewickelt. Bei beiden scheint es sich um reine, nur zu diesem Zweck installierte Briefkastenfirmen zu handeln. Jedenfalls ist weder über die Handelsabteilungen mehrerer Botschaften noch über das Wirtschaftsministerium in Monrovia (ein Handelsregister existiert in Liberia nicht) etwas über diese Firmen bzw. deren Eigentümer in Erfahrung zu bringen.

Auch die letzten drei Sendungen, die Hempel in China locker machen konnte, flossen im Sommer 1987 über Monrovia. Dabei spannten die Chinesen, daß ihr deutscher Partner das Zeug an das verfeindete Indien weiterverscherbelte, und verweigerten endgültig jede weitere Lieferung. Als Quittung hielten die Düsseldorfer Schieber kurzerhand drei noch ausstehende Zahlungen für bereits gelieferte Ware - immerhin 666.092,30 US-Dollar - zurück. Mit Recht setzten sie darauf, daß die Chinesen sich wegen der politischen Brisanz der Geschäfte sehr wohl hüten würden, die in den Verträgen vereinbarte öffentliche Schiedsstelle in der Schweiz anzurufen.

Über die Jahre waren Hempel und seine Leute zu wahren Virtuosen der Schlupflöcher im internationalen Kontrollnetz avanciert. Vor allem der Experte für die „Abwicklung“ im Düsseldorfer Stammhaus, Heinz Schmidt, und seine Vertragstransporteure Peter Prüfer, ein Schwager Schmidts und Inhaber der Spedition Transservice, sowie Klaus Pick, Geschäftsführer des Luftfrachtunternehmens Cargo Charter Service, legten eine beachtliche Phantasie an den Tag. Schmidt selbst, so berichten ehemalige Kollegen, habe den Spitznamen Schablonen-Heini oder „der Mann mit dem Koffer“ erhalten, da er manchmal auf den Flughafen höchstpersönlich die Aufschriften der Container „korrigierte“.

Doch die enorme Schummel-Energie der Hempel-Mannschaft allein erklärt nicht, warum diese über fast 15 Jahre in solchem Ausmaß ihren Schiebereien nachgehen konnte. Ermöglicht und gefördert wurden die Schwarzmarktaktivitäten durch eklatante Mängel im internationalen wie nationalen Kontrollsystem und der rigorosen Exportideologie staatlicher Stellen.

Schweiz seit '81 im Bild

Von den beteiligten Staaten steht die Schweiz scheinbar noch am saubersten da. Immerhin verschärfte sie 1986 nach Enthüllungen über Hempel-Geschäfte die Transitbestimmungen für D2O. Allerdings ließen sich die eidgenössischen Behörden viel Zeit mit ihrer „Lex Hempel“, wie ein Beamter in Bern den geänderten Paragraphen nennt. Die Schweizer tun so, als seien sie erst 1986 auf das Problem Hempel gestoßen. Doch schon 1981, also gleich im Gründungsjahr des Tarnunternehmens ORDA, leiteten Bonner Stellen Frachtpapiere eines dubiosen D2O-Transfers von China via Paris nach Argentinien an ihre Kollegen in Bern weiter. (Die Deutschen hatten die Papiere vom französischen Geheimdienst bekommen.) Bereits im August 1981 wurde Bern durch Bonn über eine besonders heikle Hempel-Lieferung informiert: Über die ORDA waren sechs Tonnen Uran aus China nach Südafrika verschoben worden. Die deutsche Botschaft meldete nach Hause, auch US -Diplomaten hätten in Bern interveniert, und die Schweizer würden „mit der Firma ORDA sprechen und sie auf die Konsequenzen dessen hinweisen, was sie tut. Dies müsse jedoch sehr vorsichtig geschehen.“ Wieso Schweizer Regierungsstellen glaubten, sich nur „sehr vorsichtig“ an die ORDA heranwagen zu können (tatsächlich wurde die Firma nie ernsthaft unter die Lupe genommen), bleibt ihr Geheimnis. Konsequenzen jedenfalls bekam die ORDA in den kommenden Jahren zunächst nicht zu spüren.

Die Schweizer Rechtsanwälte, die sich das Ehepaar Hempel für das Handelsregister als Verwaltungsräte für ihre Tarnfirma ORDA angelacht hatte, begnügten sich übrigens keineswegs mit der Rolle passiver Strohmänner. Als deutsche Zollfahnder, in der Hand einen Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichts Düsseldorf, letztes Jahr beim Rechtsanwalt der Spedition Transservice auf der Matte standen, waren die gesuchten Frachtpapiere verschwunden. Auf Drängen der ORDA -Leute in Zug hatte der Advokat die Dokumente in die Schweiz geschickt. „Hierbei handelte es sich“, so die Beamten in ihrem Bericht, „für die deutschen und norwegischen Justizbehörden um beweiserhebliche Unterlagen.“ ORDA -Angestellte haben also aktiv die Ermittlungen ausländischer Justizorgane behindert.

In den zuständigen Ministerien am Rhein war man über Hempels weltweite Aktivitäten bestens informiert. Schon im Dezember 1983 meldeten Düsseldorfer Zollfahnder, bei D2O -Lieferungen via Sharjah seien dort „die Ursprungshinweise auf den Behältnissen entfernt worden“. Am laufenden Meter reichten US-Diplomaten Geheimdiensterkenntnisse über Hempels weltweite Umtriebe an die Bonner Kollegen weiter und drängten auf Maßnahmen. Ein Beispiel: Im Dezember 1986 meldeten US-Stellen den Bonnern („to your attention“), Hempel bemühe sich derzeit in China um 17 Tonnen D2O, gesplittet in Portionen unter 1.000 Kilo, offenkundig unter falscher Vorgabe verschiedener europäischer Kunden, das übliche Hempel-Schema. Offenbar werde das Manöver von Hempel -Leuten von der Bundesrepublik aus gesteuert, „um die Safeguards-Politik eines anderen Landes zu umgehen“. Es wäre eine „Verletzung der Nicht-Verbreitungspolitik“, so warnten die Amis, „falls dieses Schema Erfolg hätte“. Reaktion aus Bonn: null.

Bonn stellt sich taub

Offenbar führten die unzähligen US-Demarchen in Bonn zu Auseinandersetzungen zwischen dem Außenministerium, das wiederholt auf die Grundsätze der Non-Proliferation pochte, und dem Wirtschaftsministerium, das dann jeweils die Nationalhymne „Export, Export über alles“ anstimmte. So mahnte das Auswärtige Amt im Sommer 1981 mehrmals vergeblich Auskünfte und Aktivitäten des Wirtschaftsministeriums an, nachdem die Pekinger Botschaft nach Hause gekabelt hatte, Hempel habe in China schwach angereichertes Uran für Abnehmer in der BRD geordert. Natürlich war das die übliche Hempelsche Finte: Der Stoff - er lag bereits in Hongkong war für die Militäratomiker in Argentinien und Südafrika bestimmt.

Auch Washington war bereits durch den Geheimdienst alarmiert, übermittelte Bonn „die ernste Besorgnis der US -Regierung“ über den Deal und bat dringend um „die Unterstützung der Bundesrepublik, um die Verschiffung von Nuklearmaterial nach Südafrika zu verhindern“. Brisanter Hintergrund der Alarmnote: In zähen Verhandlungen versuchten Amerikaner und Franzosen damals gerade, die Südafrikaner zur Unterstellung ihres Atomprogramms unter IAEA-Aufsicht zu bewegen. Als „Hebel“ diente ihnen der dringende südafrikanische Bedarf an leicht angereichertem Uran für die beiden Koeberg-Reaktoren bei Kapstadt. Uranlieferungen durch irgendwelche andere Länder in dieser Situation, so die Befürchtungen in Washington und Paris, würden die Chancen „ernsthaft unterlaufen, die Südafrikaner unter IAEA -Kontrolle zu zwingen“. Die Amerikaner nahmen die Sache so ernst, daß der damalige Außenminister und Ex-Nato -Oberbefehlshaber Alexander Haig sie bei seinem Staatsbesuch in Peking zur Spreche brachte.

Doch Bonn sah keine Veranlassung zu irgendwelchen Maßnahmen und gab sich mit der Erklärung der Hempel-Geschäftsleitung zufrieden, sie unterhalte gar keine Nuklearbeziehungen zu China. Was eine schlichte Lüge war. Die erbetene „German assistance“ unterblieb, und bald darauf gingen die Koeberg -Zwillingsmeiler am Kap in Betrieb - ohne IAEA-Kontrolle.

Transitstrecke BRD

Auf ihren verschlungenen Kanälen habe Hempels Ware nie bundesdeutsches Wirtschaftsgebiet berührt, erklärt die deutsche Justiz ihre Nullaktivitäten, mithin seien hiesige Paragraphen nicht tangiert worden. In Wahrheit wollten die Behörden es gar nicht wissen. Erst auf Druck des Bonner Untersuchungsausschusses bequemten sich Zoll und Justiz im letzten Herbst in Hempels Buchhaltung. Und siehe da: Sehr wohl haben einzelne Schwerwasser-Ladungen aus der UdSSR auf ihren Umwegen zum Drehkreuz Schweiz per Truck die BRD passiert. So wurden im Dezember 1984 per LKW fünf Tonnen D2O von Kiew im Transit durch die BRD nach Zürich gekarrt. Von dort ging's ab nach Bombay. Ein halbes Jahr darauf, im August 1985, landete eine Teillieferung statt in Zürich auf dem Frankfurter Flughafen - der Lenker der Staatsspedition „Sowtransawto“ hatte die Zielorte verwechselt. Kurzerhand wurde das Zeug in Frankfurt zwischengelagert und am 13.September 1985 mit einer Chartermaschine der Air India direkt nach Bombay verfrachtet. Im Dezember des gleichen Jahres verirrte sich wieder ein „Sowtransawto„-Chauffeur mit 3,9 Tonnen in die Mainmetropole. Dieses Mal wurde die Fracht vorsichtshalber per LKW nach Amsterdam gekurvt, erst dort von Air India abgeholt. Demnach haben Hempels also nicht nur die Schlupflöcher des Außenwirtschaftsrechts virtuos genutzt, sondern auch direkt gesetzliche Bestimmungen verletzt. Doch dank der flauen Rechtslage droht den Verantwortlichen schlimmstenfalls ein Bußgeld - das sie nach den millionenschweren „Bombengeschäften“ wohl mit links abdrücken werden.

Das gediegene Verhältnis bundesdeutscher Exportkontrollettis zu den Düsseldorfer Schiebern beleuchtet ein kleines Ereignis am Rande: Als im Juli 1987 im Bundesamt für Außenwirtschaft in Eschborn die Revision der COCOM-Liste zur Beratung stand, wurden die Hempel-Prokuristen Swyen und Schmidt als Experten für Deuterium-Produkte zugeladen. Schließlich sei ihre Firma der „Hauptimporteur derartiger Waren aus dem gesamten Ostblock“. Ein Beamter im Wirtschaftsministerium riet einmal von einer Außenwirtschaftsprüfung bei der Firma ab, wegen deren exklusiver Ostkontakte.

Bleibt die Frage, ob den sowjetischen Lieferanten Hempels Endabnehmer verborgen geblieben sein können. Als Ursprungsland war die UdSSR die Hauptverantwortliche für die Einhaltung der „end use„-Bestimmungen. Bei einer Unterredung mit einem Vertreter des Auswärtigen Amtes 1986 beteuerte der sowjetische Botschaftsrat Jelisarew, daß sein Land „strikt ihre internationalen Verpflichtungen nach dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen und der Londoner Vereinbarung über die Prinzipien für den Nuklearexport erfüllt“. In Verkennung der bundesrepublikanischen Verhältnisse forderte der Sowjet-Diplomat von dem Bonner Beamten gar „erforderliche Maßnahmen, um die unsauberen Versuche einiger Kreise zu unterbinden, einen Schatten auf die Politik der UdSSR auf dem Gebiet des Nuklearexports zu werfen“, sprich: die Presse an die Leine zu nehmen.

UdSSR dealt mit Indien

Doch die Schatten sind nicht wegzupinseln: Den marktkundigen Funktionären des Staatskonzerns Techsnabexport muß klar gewesen sein, daß die immer wieder als Kunden angegebenen Firmen für D2O gar keine Verwendung hatten, in diesen Mengen schon gar nicht. Vor allem aber: Um seriöse Firmen und Institute im EG-Raum zu beliefern, hätte man sich die bürokratisch aufwendige 990-Kilo-Masche sparen können. Es drängt sich also der Verdacht auf, daß die UdSSR über Hempels Firmenkanäle wissentlich ihrem Verbündeten Indien den strategischen Stoff Schweres Wasser zufließen ließ, den sie offiziell nicht liefern konnte, ohne internationale Bestimmungen zu verletzen.

Zu dieser Einschätzung kamen schließlich auch Schweizer Regierungsstellen und teilten diese ihren deutschen Kollegen mit. In einem verschlüsselten Fernschreiben kabelt die deutsche Botschaft in Bern am 14.Februar 1986 ins Bonner Außenamt: „Schweizer Seite vermutet, daß die Sowjetunion zur Zeit versucht, größere Mengen von Schwerwasser über Firmen in der Schweiz, der Bundesrepublik und den Niederlanden nach Indien zu verschieben.“ Man gehe in Bern davon aus, „daß die Sowjetunion neben ihren offiziellen Nuklearbeziehungen zu Indien nach Wegen sucht, um Indien unter Umgehung der Londoner Richtlinien und durch Verschleierung der Lieferwege größere Mengen Schwerwasser für die nicht kontrollierten indischen Nuklearanlagen zu liefern. Den zur Hempel-Gruppe gehörenden Tochterfirmen (...) soll dabei eine Schlüsselrolle zukommen.“

Auch der Verfasser des Düsseldorfer Zollreports vom Januar 1989 kommt zu dem Schluß: „Mit der Aufteilung der Vertragsmengen auf unter 1.000 Kilogramm netto und der entsprechenden Abwicklung hat der sowjetische Lieferant Techsnabexport offenbar internationale Vereinbarungen unterlaufen. Meines Erachtens kann davon ausgegangen werden, daß den sowjetischen Lieferanten das Bestimmungsland Indien bekannt war.“

Der politische Hintergrund dieser sowjetischen Praxis gegenüber dem Alliierten Indien ist im internen Aktenfundus der IAEA in Wien mehrfach dokumentiert. So verhandelten Delegationen der IAEA in den Jahren 1976/77 mit den Indern über die Unterstellung des gesamten indischen Brennstoffkreislaufes unter das Kontrollsystem der IAEA -Safeguards. Als im Mai 1977 eine hochrangige IAEA -Delegation nach Bombay reiste, hatten die Unterhändler bereits zurückgesteckt. Die Inder hatten signalisiert, sie seien allenfalls zu Verhandlungen über die Unterstellung der beiden Reaktoren Rajastan I und II bereit. Ein IAEA -Gesandter notierte damals: „Nach meinem Eindruck unterliegt es keinem Zweifel, daß hierbei der Wink der Sowjets maßgeblich gewesen ist.“

Der 1970 in Kraft getretene Atomwaffensperrvertrag ist zeitlich befristet. Er läuft, sofern kein Nachfolgevertrag geschlossen wird, 1995 aus. Und um einen solchen steht es schlecht: Auf einer bevorstehenden Überprüfungskonferenz im kommenden Jahr werden sich die Industrieländer, allen voran die Bundesrepublik, von jenen Dritte-Welt-Regierungen, die den Sperrvertrag seit jeher als Diskriminierung geißeln, ihre Exportskandale um die Ohren schlagen lassen müssen. Schon die letzte Überprüfungskonferenz 1985 in Genf hatte nach dreiwöchigem Sitzungsmarathon nur mit Ach und Krach ein gemeinsames Schlußkommunique zustande gebracht.

Die in jüngster Zeit aufgeflogenen Skandale um Atomausfuhren zeigen, wie massiv und ausdauernd der Atomwaffensperrvertrag trotz anderslautender Beteuerungen der Regierenden gerade von deutschen Firmen unter den zugedrückten Augen deutscher Behörden konterkariert wurde. Eigentlich haben Hempel und die anderen Schieber ja nur die Logik bundesdeutscher Export-Philosophie auf die Spitze getrieben. Fast scheint es, als habe eine deutsche Atommafia aber auch den vielleicht unbewußt schmerzlichen Verzicht auf die eigene Bombe durch um so emsigere Handlangerdienste für fanatische Diktatoren in der Dritten Welt kompensiert, die nach dem Schreckensinstrument gieren. Jedenfalls haben sie ihnen den Weg zur Atombombe geebnet. Als ob sich mit nichts anderem auf der Welt Millionen machen ließen.