Orgien oder Bigotterie

Bigotterie war schon immer die Stärke der westdeutschen Saubermänner in Politik und veröffentlichter Meinung, von Momper bis Dregger, von der taz bis zur 'FAZ‘. Sie ringen nach Fassung, wenn sie das Unrecht betrachten, daß die ostdeutschen Sicherheitsbehörden gegenwärtig dem eigenen Volk antun. Dabei will das doch nur ein wenig Demokratie.

Wenn ich mir die ostdeutschen „Sicherheits„truppen und ihre Aktionen - wohlgemerkt im Fernsehen - ansehe, und vor meinem inneren Auge mit den Bildern von der Startbahn West, von Wackersdorf, den Hamburger und Berliner Polizeikesseln und dem abgeriegelten Kreuzberg vergleiche, dann kann ich nur sagen: Da können Stasi und VoPo noch viel von ihren westdeutschen KollegInnen lernen. Der Anlaß für die westdeutschen Demobullen immerhin war für die westdeutsche Staatsführung weitaus weniger bedrohlich als die Bemühungen der DDR-Opposition: Die DemonstrantInnen - in ihrer Mehrheit jedenfalls - wollten keine Verfassungsgrundsätze aushebeln, sondern gegen einzelne politische Fehlentwicklungen demonstrieren. Das schützte sie nicht - etwa beim IWF -Kongreß jüngst in Berlin - zum Opfer stadt-, ja republikanerüberspannender Planspiele autoritärer Sicherheitsapparate und -politikerInnen zu werden.

Den Schreihälsen von der versammelten Westpresse sei geraten, die jüngsten Fernsehbilder und Presseberichte vom IWF-Kongreß in Berlin (West) mit den Bildern und Berichten vom 40.Jahrestag der DDR-Gründung in Berlin (Ost) zu vergleichen. Da werden Maßstäbe zurechtgerückt, wenn sie sich in Erinnerung rufen, daß ein Verfassungsminister in Berlin (West) direkte Einkesselungen von PressevertreterInnen für rechtmäßig und wünschenswert hielt. Der DDR-Opposition kann man nach alledem nur wünschen, daß ihre Mielkes nicht eines Tages durch Typen wie Zimmermann und Kewenig ersetzt werden. Da kämen sie vom Regen in die Traufe. Und Herrn Momper möchte man zurufen, daß selbstverständlich auch die westdeutsche Staatsführung in ihrem Raum im Europäischen Haus nicht herumrandalieren darf, wenn sie anderen Ratschläge erteilen will.

Jony Eisenberg