Billiger Trick mit Folgen

■ Chiles Diktator Pinochet will seinen Geheimdienst auflösen

Seit geraumer Zeit verspricht Chiles Opposition, den berüchtigten Geheimdienst CNI aufzulösen, falls sie die Wahlen im Dezember gewinnen sollte. Nun kündigt der Diktator die Abschaffung der größten Mörderbande seines Landes höchstselbst an. Doch was vor einigen Jahren im Rahmen der abertura, der kontrollierten Öffnung des politischen Systems, noch als populäre Maßnahme hätte verkauft werden können, erweist sich heute schon beim ersten Hinsehen als billiger, durchschaubarer Trick. Die Angestellten der „Intelligenz“, wie die Folter- und Mordagentur in Chile mitunter genannt wird, sollen in das Heer integriert werden. Künftig würden sie dann also nicht mehr dem Präsidenten direkt unterstehen, sondern dem Heereschef dienen. Und der heißt bis auf weiteres - unabhängig von allen Wahlresultaten - Pinochet.

Daß ihm aber die Verhinderung einer gerichtlichen Verfolgung von Angehörigen der Armee notfalls auch einen zweiten Putsch wert ist, hat der alte General in jüngster Zeit oft genug betont. Im Wahlkampf fordert die Opposition zwar lauthals die Bestrafung der Verantwortlichen für Mord, Folter und „Verschwindenlassen“. Doch am Horizont zeichnet sich bereits die „nationale Aussöhnung“ ab: Freilassung der politischen Gefangenen kontra Straflosigkeit der Militärs. Ein Deal, gegen den die überlebenden Opfer der Diktatur und die Menschenrechtsorganisationen so erfolglos rebellieren werden wie in Argentinien und Uruguay. Bestenfalls werden sie eine kurze Schamfrist erstreiten.

Eine chilenische Demokratie aber, die die schonungslose Aufklärung der Verbrechen und die Bestrafung der Verantwortlichen nicht wagt, wird eine militärisch bewachte Demokratie sein. Einer der bekanntesten Schriftsteller Lateinamerikas, der Uruguayer Eduardo Galeano, hat diese politische Herrschaftsform auf den Begriff gebracht: Demokratur. Eine Demokratie, die den Namen verdient, lassen die realen Machtverhältnisse im südlichen Südamerika offenbar nicht zu. Zumindest kurzfristig nicht.

Thomas Schmid