VS Berlin: Gezielter Geheimnis-Verrat

Vorsitzender Wienhold plaudert vor der Presse munter drauflos, um den VS-Ausschuß in Schwierigkeiten zu bringen / Gestern Sondersitzung über das seltsame Gebahren des CDU-Mannes / Pätzold fragt, ob er dem Ausschuß noch Geheimes anvertrauen kann  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Der Berliner Ausschuß für Verfassungsschutz beschäftigte sich gestern vorwiegend mit seinem Vorsitzenden Klaus Wienhold (CDU) und dem von ihm begangenen „Geheimnisverrat“. Wienhold, der auch sicherheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion ist, hatte alle Spekulationen um einen weiteren Skandal des Berliner Verfassungsschutzes (VS) beendet, indem er auf einer Pressekonferenz die Vermutungen über eine illegale Abhöraktion gegen die Hauptbeschuldigte des Schmücker-Verfahrens, Ilse Schwipper, bestätigte. In einer öffentlichen Ausschußsitzung hatte Innensenator Pätzold (SPD) zuvor den neuen Skandal angedeutet und von einem „gravierenden Vorgang“ im Landesamt gesprochen. Wienhold wird unterstellt, daß er mit seinem Vorpreschen die Alliierten mobilisieren möchte. Sollte sich der Ausschuß nämlich als „Leck“ im VS-Bereich erweisen, könnten ihm die Alliierten kurzerhand den Garaus machen.

Während die übrigen Ausschußmitglieder ihr Schweigen über die Erkenntnisse aus einer geheimen Sitzung wahrten, forderte Wienhold vor der Presse den Innensenator auf, offenzulegen, „wer, wann, mit welcher Begründung die jeweiligen Entscheidungen zur Abhörung getroffen hat“. Zugleich deutete der CDU-Politiker an, daß die alliierten Schutzmächte in Berlin in den Skandal verwickelt sein könnten. Wienhold: „Das Gerede des Innensenators über die Rolle der Alliierten ist schädlich und darüber hinaus falsch.“

Wienholds Fauxpas im Rathaus-Pressezimmer führte im Anschluß zu einer Anfrage der Alternativen Liste beim Parlamentspräsidenten Jürgen Wohlrabe (CDU). Er sollte die Frage eines möglichen Geheimnisbruches prüfen.

Die AL-Vertreterin Renate Künast warf dem Vorsitzenden gestern in der eigens anberaumten Sondersitzung vor, mit gezielten Indiskretionen den Ausschuß torpedieren zu wollen. Angesichts seines Verhaltens sei der Innensenator gezwungen, dem Ausschuß künftig Verschlußsachen vorzuenthalten. Das parlamentarische Gremium könne damit seiner Kontrollfunktion über den VS nicht mehr nachkommen - die inhaltliche Arbeit der Parlamentarier werde „ausgehebelt“. Weiter wunderte sich Frau Künast, daß von einem möglichen Strafverfahren noch nicht einmal die Rede gewesen wäre. Vor dem Regierungswechsel hätten in ähnlichen Fällen die Staatsanwälte mit „Lichtgeschwindigkeit“ gehandelt.

Die CDU nahm ihren Parteikollegen in Schutz. Die CDU -Vertreter beriefen sich dabei auf Parlamentspräsident Wohlrabe, der letzte Woche Wienhold vom Vorwurf des Geheimnisverrates freigesprochen hatte. Wohlrabe argumentierte, daß ein Geheimnisverrat dann nicht vorliege, „wenn der Empfänger einer Mitteilung (die Presse) bereits sichere Kenntnis von deren Inhalt hat“.

Innensenator Pätzold betonte seine Zweifel, ob er dem Ausschuß noch Geheimmaterial übergeben könne. Dies träfe ihn umso mehr, als er einer der Initiatoren zur Einrichtung des Auschusses gewesen sei. In Anspielung auf die Abhöraktion gegen Ilse Schwipper bedauerte er Wienholds Äußerungen auch insofern, als sie „in besonderer Weise geheim sind, weil sie mit denen zu tun haben, die hier die oberste Gewalt (die Allierten, d. Red.) ausüben“. Zu den wiederholt in der Presse zitierten Berichten der „Projektgruppe Verfassungsschutz“, die im Auftrag des Innensenators nach dem Regierungswechsel in Berlin die Machenschaften des Landesamtes untersuchte, beteuerte Pätzold, er habe keinerlei Anhaltspunkte, „daß irgendein Bericht den Panzerschrank in Richtung deutsche Stellen verlassen hat“.