(Noch) einer für alles

■ Brandauer spielt und inszeniert „Georg Elser“

Was fehlt? - Ein Denkmal. Nicht das für den unbekannten Deserteur, diesmal nicht. Vorher ist noch ein anderer dran: Georg Elser nämlich. Wer zum Himmel war Georg Elser? Bei ihm erinnert man sich tatsächlich nicht an den Namen, sondern an Schall und Rauch, den er am 8.November 1939 inszenierte: An diesem Abend explodierte im Münchner Bürgerbräukeller eine Bombe, die allerdings ihr Ziel um einige Minuten verfehlte: Adolf Hitler hatte sich wegen akuter Kriegstreiberei schon vorzeitig vom Clubabend der „Alten Kämpfer“ verabschiedet. Georg Elser verschwand als „Sonderhäftling des Führers“ in verschiedenen KZs, bis er kurz vor Kriegsende ermordert wurde. Viel mehr weiß man nicht über ihn: seine frühere Adresse, Türkenstraße 94, und daß er von Beruf Schreiner war und sehr unauffällig.

Was böte sich besser an als der 50.Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs, um dieses Schicksal aus der Schattenseite der Geschichte zu reißen? Klaus Maria Brandauer bringt uns den Georg Elser näher: Er spielt ihn ohne großartige Starallüren, fast zurückgenommen, angesichts der geschichtlichen Bedeutung seiner Figur. Dafür darf er sich selber inszenieren, zum ersten Mal führt er Filmregie. Am Theater hat er dies schon öfter getan. Außerdem denke er auch mit, wenn er nur Schauspieler sei, versichert K.M.

Georg Elser war ein einfacher, aufrichtiger Mann aus dem Volk, ein ordentlicher Kleinbürger, der nichts dagegen hat, wenn die da oben gerne möchten, daß man „Heil Hitler“ sagt, aber wenn man es sagen muß, das geht zu weit. Ein Mann, der sieht, aber nicht politisch denkt. Er sieht die fanatischen Massen, die Hakenkreuzfahnen, die jüdischen Nachbarn verschwinden. Und er wird von SS-Leuten zusammengeschlagen und angepißt, als er sich weigert, deren Gruß zu erwidern. Elser nimmt das hin, hat er doch schon seinen Plan gefaßt: Tagsüber sitzt er in seiner Werkstatt, die er von den jüdischen Nachbarn übernommen hat, und bastelt an Uhrwerken, auf daß daraus 365 Tage später eine Bombe werde, nachts schleicht er sich in den Bürgerbräukeller, um dort die Säule auszuschaufeln, vor der Hitler reden wird. Hier soll es knallen. Er bastelt und buddelt wie besessen, setzt sogar seine große Liebe Anneliese aufs Spiel, der er natürlich nichts von seinen Attentatsplänen erzählen kann.

Nicht nur das Attentat mißlingt, sondern auch die anschließende Flucht in die Schweiz. Schlechte Planung. Allerdings ist das kein Argument, handelt es sich hier ja nicht um einen Action-Film, sondern um politische Bildung im Kino. Da muß man durch, auch wenn es stellenweise nach einem Nachruf auf die gute, alte Handwerkertradition der Uhrmacher - und Mauerbranche aussieht.

„Einer mußte es ja tun“, soll Georg Elser nach seiner Verhaftung gesagt haben - es spricht die humanitäre Gesinnung: „Der“, Hitler, mußte weg.

Elsers Kamikaze-Aktion wird genausowenig hinterfragt wie der Aufstieg des NS-Faschismus. Der wird bloß nachgestellt: mit Uniformen und sonstigem damaligen Zeitgeist-Tralala. Die plakative Optik und politische Vereinfachungen hätten aufgrund der besseren Verkäuflichkeit auf dem amerikanischen Markt hingenommen werden müssen, sagt Brandauer. Will heißen: So wird Widerstand erst richtig schön. Individualistisch, unpolitisch, integer. So gefällt's selbst dem bayrischen Innenministerium: Das hat diesen bebilderten Schulfunk kräftig mitfinanziert.

Lutz Ehrlich

„Georg Elser“, Regie und Darsteller: Klaus Maria Brandauer, Buch: Stephen Sheppard, nach seinem Roman „The Artisan“, BRD 1989, 100 Minuten.