„Ein Leben nach der DKP?“

Heute beginnt in Frankfurt der „Kongreß Erneuerung“ / Rund 1.500 Dissidenten der DKP wollen nach undogmatischen sozialistischen Perspektiven suchen  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Wenn heute abend in der Frankfurter Universität die erste Großveranstaltung der „Erneuerer“ beginnt, dann haben viele der 1.500 TeilnehmerInnen die Hoffnung auf eine Erneuerung bereits aufgegeben: die der DKP. Dabei war die Kongreßplanung zunächst als innerparteiliches Politikum angelegt: Wer den Aufruf unterzeichnete - mittlerweile sind es 2.800 -, protestierte damit gegen die Haltung der Parteiführung und solidarisierte sich mit gemaßregelten Dissidenten. Doch nach den Auseinandersetzungen der letzten Monate und der mittlerweile vollständigen Hinaussäuberung der Erneuerer aus dem DKP-Apparat rückt nun die Suche nach politischen und organisatorischen Alternativen in den Vordergrund.

„Gibt es ein Leben nach der DKP?“ Diese Frage wird sich als roter Faden durch die sechs Foren und 16 Arbeitsgruppen dieses Kongresses ziehen. Und „weil wir unsere Probleme als Teil der Krise der Linken verstehen“, wie es im Kongreß -Reader heißt, sind zur Strategiediskussion die Vertreter derjenigen Strömungen geladen, zwischen denen sich die DKP -Dissidenten nun zu orientieren versuchen: SPD-Linke wie Karsten Voigt und Detlev Albers, Grüne vom „Linken Forum“, Gewerkschaftslinke sowie Thomas Ebermann für das neue Bündnis „Radikale Linke“. Der Eintritt in die Grünen, um dort den linken Flügel zu stärken, scheint manchen eine Perspektive zu sein: Der ehemalige Ökologie-Referent beim Parteivorstand, Stürmann, wird zum Beispiel dafür plädieren. Doch Entscheidungen - in dieser oder anderer Richtung - wird es an diesem Wochenende noch nicht geben; vorerst soll sich die Erneuererströmung autonom konstituieren: Eine „Initiative für kommunistische Erneuerung“ als Forum, unabhängig von der Parteimitgiedschaft, so schwebt es dem Kölner Kreisvorsitzenden Steffen Lehndorff vor. Lehndorff, einer der führenden Köpfe der Erneuerer, hofft, daß dieser Kongreß zur „Wiederbelebung sozialistischer Ideale und eines undogmatischen marxistischen Denkens“ beiträgt. Ein eigenes Büro, ein monatliches Bulletin, eine Strategiekonferenz sollen der Strömung Strukturen geben und der individuellen Resignation entgegenwirken. Und es sei dann Sache der DKP zu entscheiden, ob gegen diese Gruppe ein Unvereinbarkeitsbeschluß gefaßt wird. Lehndorff: „Wir werden das nicht provozieren.“

Ein Forum für taktische Debatten, wie man sich weiter in der DKP verhalten könne, soll der Kongreß zwar nicht sein. Doch für diejenigen, die den kommenden Sonderparteitag der DKP als „geringe, winzige Chance“ der Reform sehen, wurde ein Sonderplenum eingerichtet: Die Dissidenten-Delegierten werden dort einen eigenen Antrag vorstellen. Der Parteivorstand schickt seinerseits eine Abordnung mit Ellen Weber an der Spitze und wird sich bemühen, einen Teil der Dissidenten zurückzugewinnen. Schon vor dem Honecker-Sturz habe der Vorstand nämlich „Kreide gefressen“, heißt es, und er versuche sich in der neuen „Methode SED“: mit „Dialog -Gehabe“.