Statt Blech „Havel-Promenade“

■ Forschungsgruppe schlägt Umbau eines Teilstücks der Havelchaussee ausschließlich für Fußgänger und Radler vor / Oase mit Ruhebänken, aber ohne Imbißbuden ausgemalt / Zwei neue BVG-Ausflugslinien sollen an Wendeschleifen kehren

Eine von konservativeren Gemütern schon unter dem Stichwort „Wald total“ beargwöhnte ökologische Radikallösung wird es nach Schließung der Havelchaussee nicht geben. Entgegen den Unkenrufen soll das 1,6 Kilometer lange Filetstück der jetzigen Abgasschneise zwischen Großer Steinlake und Lieper Bucht nicht begrünt, aber zur Fußgänger- und Radlerpromenade umgebaut werden. Dies ergibt sich aus einem von der Umweltverwaltung bei der Berliner Forschungsgruppe Stadtverkehr (FGS) in Auftrag gegebenen Gutachten „Zugang zur Neuen Havelchaussee“, das die Sentatorin Schreyer gestern der Öffentlichkeit präsentierte. Die Ergebnisse der 143 Seiten dicken Studie würden von ihr nicht vollständig geteilt, gäben für den am 31.Oktober geplanten Senatsbeschluß in Sachen Havelchaussee jedoch die „wesentliche Grundlage“ ab, so die Senatorin. Geht es nach dem Konzept der GutachterInnen, wird die Havelchaussee einschließlich Kronprinzessinnenweg und Straße am Postfenn per 22.Januar 1990 zunächst für den privaten Autoverkehr dicht gemacht. Lediglich Anlieger sollen auf ihre dringende Bitte hin noch in den Abschnitten zwischen Angerburger Allee und Straße am Postfenn sowie zwischen Scholzplatz und Stallupöner Allee fahren dürfen.

Mit dem 1.Oktober ist dann in einem weiteren Schritt die Sperrung des erwähnten Filetstücks der Havelchaussee auch für BVG-Busse vorgesehen. Eine neue BVG-Nordlinie fährt künftig ab dem Theodor-Heuss-Platz bis zur Lieper Bucht, eine entsprechende Südlinie vom S-Bahnhof Wannsee bis zum anderen Endpunkt an der sogenannten Hechtwiese, so der Vorschlag. Die für die „Großen Gelben“ nötigen Wendeschleifen wollen die GutachterInnen auf den vorhandenen Parkplätzen Hechtwiese und Lieper Bucht einrichten. Diese müßten lediglich für etwa 1,5 Millionen Mark für die höheren Achslasten befestigt werden. Baumfällungen seien somit zur Anlage der Wendeschleifen nicht erforderlich.

Das gesperrte Teilstück der Havelchaussee wird nach dem Konzept als „Havel-Promenade“ ausschließlich dem gemischten Radfahrer- und Fußgängerverkehr vorbehalten sein. Erst einmal möchten die VerfasserInnen des Gutachtens von der jetzt 6,50 Meter breiten Fahrbahn an den Rändern jeweils 75 Zentimeter wegnehmen. Damit könnte die derzeitige „Streßsituation“ für die dort befindlichen alten Eichen verringert werden. Heute reicht die Straße bis an die Baumwurzeln heran. Der vorhandene kombinierte Rad- und Fußweg soll mitsamt der Bitumendecke weg. Ferner wird angeregt, die empfindlichen Tiefbrunnen an dem Havelabschnitt durch Holzzäune in einem großzügigen Zehn -Meter-Abstand vor dem Betreten zu schützen.

An ein bis zwei Stellen halten sie aber Ruhebänke mit Wasserblick durchaus für angebracht. „Es wird davon ausgegangen, daß in diesem Bereich keine Imbißbuden aufgestellt weden“, heißt es außerdem in ihrem Bericht.

Vergessen wurden neben den Fußgängern und Radlern auch nicht die Surfer. Der Vorschlag hier: Ein Surfbrettdepot für rund 600 der Wasserbretter auf dem heutigen Parkplatz Große Steinlake/Großes Fenster. Nach intensiveren Diskussionen hätten die Gutachter demgegenüber empfohlen, auf einen Surfbretttransport durch die BVG zu verzichten, erläuterte Frau Schleyer.

Aus Gründen einer langfristigen Vorsorge für das Trinkwasser in den berührten Wasserschutzgebieten sei die vorgeschlagene Zugangsregelung für die „neue“ Havelschaussee umumgänglich. Von einer Sperrung, so die Senatorin, könne nicht die Rede sein, denn mit Ausnahme der Brunnenbereiche bliebe das Havelufer für jedermann weiter zugänglich.

Kritik übte Frau Schleyer an dem bis jetzt vom Zehlendorfer Bezirk alternativ geforderten „grundwassergerechten“ Ausbau der Havelchaussee. Ein solcher Ausbau erfordere neben Hochborden im Umkreis der alten Eichen eine neue Abwasserleitung sowie ein Regenwasserrückhaltebecken. Da das Becken höher als die Straße liegen müßte, wären strombetriebene Pumpen erforderlich. Einem Gutachter zufolge würden diese Maßnahmen 15 Millionen Mark verschlingen. Dagegen schlüge der Rückbau des 1,5 Kilometer langen Teilstücks der Havelchaussee nur mit etwa einer halben Million Mark zu Buche.

Thoms Knauf