Frauen - Theater - Festival

■ Wie in Bremen einmal etwas so richtig kulturell gefördert wurde / Das 999. Kapitel

Seit eineinhalb Jahren arbeitet Francesca de Martin an der Verwirklichung ihrer Idee, gratis übrigens. Resultat: In der Woche ab dem 5. November werden sie in Bremen alle zu sehen sein: Barbara Nüsse im Schlachthof mit dem nach außen gestülpten inneren Monolog der Molly Bloom aus Joyces 'Ulysses‘ (Michael Merschmeier:“...einer der seltenen Glücksmomente, wo ein Theaterereignis tatsächlich ins eigene Leben eingreift und doch immer Kunst ist...“); die elf Damen zwischen 60 und 80 vom Berliner Seniorentheater, die in der Gala (bis jetzt Scala) in Bremen Nord die Geschichte Emmi Krügers spielen; die pubertierende 13-Jährige aus Miki Malörs „Windelweich“ im Freiraum-Theater, Sissy Perlinger & Band, unvergessenes „schrill schillerndes“ Breminale-Stimm-und Show-Wunder und einige provokative „Zicken“ mehr. Eigentlich hatte die freie Schauspielerin Francesca de Martin, die das Frauentheater-Festival ausgeheckt hat, mehr gewollt. Mehr Schauspielerinnen von der Sorte einladen, die den Emanzipationskampf im Sinne von „was sind wir immer so unterdrückt“ hinter sich gelassen haben und mit Kraft und Professionalität den „Stereotypen Feuer machen“ (de Martin). Workshops wollte sie haben, von Frauen ganz verschiedener Theaterrichtungen, weil es, auch in der

Freien Theaterscene um Dazulernen, um „mehr Qualität“ geht. Und zu der wollte sie die international wehende „frische Luft im Theaterbereich“ auch nach Bremen einladen.

Die frische Luft hatte sie auf 42.000 Mark veranschlagt, auf 60.000 erhöht, nachdem sie von der für Kunst zuständigen Behörde gehört hatte, daß weniger kleinliche Forderungen mehr Chancen hatten. Als die Behörde dann vor einem Jahr auf Zahlung von 8.500 Mark erkannte, wollte Francesca de Martin aussteigen. Daß sie doch weiter machte, liegt mit an der Behördenidee, die Bremer Theater und Spielstätten von staatlicher Theater GmbH bis Modernes, Freiraum, Shakespeare Company, Gala, Bürgerhaus Vahr, Schlachthof, zu Veranstaltern zu machen. Die tragen allerdings auch (in gemeinsamer Umlage) das Risiko für Gagen, die vom Veranstaltungsbesuch nicht gedeckt werden. Wieder so ein vernetzungstiftender kleiner Spartrick. Was sind da diejenigen an der Nase herumgeführt, die wie in Hannover 50.000 und in Hamburg 200.000 Mark (für noch ein zweites Projekt) bewilligt bekommen. „Zwillen, Zicken, Zoten“ ist nämlich auch durch die Zusammenarbeit der „Nordkette“ der freien Theater entstanden: Kampnagelfabrik Hamburg, Kulturetage Oldenburg, Lagerhalle Osnabrück und

Pavillon Hannover. Wer also die Theatralikerinnen in Bremen verpaßt, kann versuchen, sie an den anderen Spielorten der Nordkette zu erhaschen. Übrigens: liebes schwaches Geschlecht, bei all dem Frauen-Theater bist Du als Zuschauer herzlich willkommen.

Uta Stolle