: Drogenbeauftragter hintenrum eingestellt
■ Sozialbehörde stellte einen Mann für neue alte Drogenpolitik ein / Deputation übergangen / Stelle nicht ausgeschrieben
Der neue Landes-Drogenbeauf tragte kommt nicht gerade auf einen Hausmeisterposten. Nach dem mühsam errungenen Kompromiß zur künftigen Drogenpolitik wird es für den Neuen darum gehen, den nach viel Ach und Krach gefaßten Bürgerschaftsbeschluß in die Tat umzusetzen: endlich ein integriertes Konzept für künftige Bremer Drogenpolitik auszuarbeiten, die Aktivitäten der betroffenen Ressorts Soziales, Gesundheit, Justiz und Inneres zu koordinieren und, als Minimal-Kompromiß nach langem Streit, die kleine erkämpfte Öffnung in der bisher starren Anti -Methadon-Linie (Jetzt: „Methadon in Einzelfällen auch bei schwe
ren psychischen und physischen Erkrankungen“) mit Konzept und vor allem praktischer Politik zu füllen.
Der Wunschkandidat des Sozialsenators Henning Scherf für den Posten des Landes-Drogenbeauftragten heißt Guus van der Upwich. Und er hat nach eigenem Bekunden seine Einstellungspapiere schon unterzeichnet. Und so hatte der SPD-Fraktionsausschuß „Drogen, Aids und Randgruppen“ ganz irrtümlich angenommen, sich am Montag nachmittag über den Kandidaten noch informieren und gar noch mitreden zu können.
Der künftige Landesdrogenbeauftragte, van der Upwich, 42
Jahre, war bislang Geschäfts führer einer Oldenburger Einrichtung stationärer Drogen -Therapie und legte am Montag gegenüber dem Ausschuß neben der Zusicherung von „Lernfähigkeit“ ein klares Votum für die hohe Tugend der Abstinenz ab. Nach seiner Haltung zum Ersatz -Opiat Methadon befragt, erklärte van der Upwich gegenüber der taz: „Die Ersatzdroge Methadon als Therapeutikum kenne ich nicht aus den Debatten der Therapiekette Niedersachsen.“
In Bremen aber ist in der Methadonfrage in die Parteien und in die SPD-Ressorts Bewegung gekommen. Das Versagen der nur
abstinenzorientierten Therapieformen, die hohe Zahl der Drogentoten und nicht zuletzt auch der Unmut in den Stadtteilen ließen außer den Grünen auch FDP und CDU sowie die SenatorInnen für Gesundheit, Justiz und sogar Inneres neu über Substitution nachdenken und Öffnung fordern. Gegenüber der taz deutete Guus van der Upwich an, was schon zu ahnen war: daß er nicht gerade ausersehen ist, im Hause Scherf die zarten Ansätze neuen Denkens zu kräftigen: „Wenn der Sozialsenator in dieser prekären Frage jemand aussucht, gehe ich nicht davon aus, daß es einer ist, der ganz konträr zu seiner Linie arbeitet!“
Der SPD-Drogen-Ausschuß soll auf Wunsch des Fraktionsvorstandes und besonders des Fraktionschefs Dittbrenner weiterarbeiten und die Umsetzung des Kompromiß -Beschlusses kritisch begleiten. Empört war Ausschuß -Sprecher Reinhold Stiering darüber, daß die SPD-Drogen -Fachleute aller Ressorts im Ausschuß mögliche KanditatInnen nicht ansehen und anhören konnten, bevor definitive Entscheidungen gefallen waren: „Ich bin brüskiert über diese Art und verstehe nicht, daß die jetzt beginnende Arbeit von vornherein so belastet wird.“ Auch Ausschußmitglied Elke Steinhöfel kritisiert, daß außer dem Kandidat aus dem Lager der Abstinenz-Befürworter weder weibliche noch andere MitbewerberInnen auch nur eingeladen wurden:
„Ein Drogenbeauftragter muß die neuen Entwürfe integrieren und den Abstinenz-Einrichtungen zumindest neutral gegenüberstehen!“
Ganz zu schweigen von den Deputationsmitgliedern anderer Parteien, die nicht am Neuigkeiten-Tropf der GenossInnen hängen. „Ein dicker Hund“, entfuhr es der Abgeordneten Roswitha Erlenwein (CDU) bei der Neuigkeit, „wie oft haben wir in der Deputation nachgefragt und nichts, nichts erfahren, geschweige denn Stellung beziehen können!“ In anderen Deputationen werden ReferentInnen, ChefärztInnen oder VHS-LeiterInnen vor ihrer Einstellung vor-und zur Diskussion gestellt.
Völlig normal fand die Personalrats-Vorsitzende Anna-Marie Schröder das Verfahren: „Wir haben eine Vereinbarung mit der Dienststelle und haben zugestimmt. Das war doch der Mann, den sie wollten!“
Einen ganz unschönen Haken hat die Sache: Die Stelle, die seit dem Weggang von Thies Pörksen seit März '89 vakant war, ist bislang nicht einmal ordnungsgemäß ausgeschrieben. Scherfs Pressesprecher Alfke verblüffte mit der offenen Antwort: „Ich vermute, das wird nicht noch ausgeschrieben. Das ist doch fachlich der Mann, den wir gern hätten! Jeder weiß doch, wie sowas läuft. Das ist kein ungewöhnliches Verfahren.“
Susanne Paa
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