: An der Ökofront nichts Neues
■ Das „Ökodorf“ wird zehn Jahre alt / Die Probleme bleiben dieselben - nur die Informationsflut wächst / „Es ist nur zwischendurch mal egal, was man macht“
Zivis und Bullen waren schon lange nicht mehr da. In den Hinterhof der Kurfürstenstraße 14 wirft der Schriftzug „Ökodorf“ aus der Fabriketage im dritten Stock ganz einsam rosa Neon in die Tiefe. „Wenn man das bedenkt“, sagt Hans Wenk, einzige ABM-Kraft in dem Projekt, „dann ist das schon ein Phänomen, daß es uns zehn Jahre gibt.“ Und ohne daß sich auf seine Augen ein besonderer Glanz legt, erinnert er sich an die Hochzeiten der Anti-AKW- und Umweltbewegung und an das sechs Wochen dauernde Umweltfestival 1978. „Wir wollen ein Ökodorf“ war eine der Ideen, die damals nach dem Festival übrigblieb. Ein Gelände für ein Dorf fanden die verschiedenen Initiativen nicht, zogen dann schließlich mit ihrem „Dorf“ in die Fabriketage in der Kurfürstenstraße.
Im Büro liegen die Kataloge der „Giftgrünen Woche '88“ noch stapelweise herum. „Heute darfst Du sowas nicht mehr drucken, das liest kein Mensch“, fällt Hans zu dem Haufen ein. Nächstes Jahr sollte die Umweltwoche, die seit acht Jahren vom „Ökodorf“ initiiert wird, das erste Mal ausfallen. „Wir können nicht alles schaffen“, beurteilt der 35jährige Betriebswirt seine Kraft und die der sechs Übriggebliebenen. Für nächstes Jahr ist bereits eine „Gegenausstellung“ zur „Internationalen Tourismusbörse“ in den Räumen der Kurfürstenstraße geplant.
Nur Eckart war dagegen, daß die „Giftgrüne Woche“ ausfällt. Weil Eckart Klaffke, 35jähriger Landschaftsplaner, sich um die „Woche“ kümmert, findet sie nächstes Jahr nun doch statt. Aber Hans quälen „nach zehn Jahren Informationsarbeit“ Zweifel: „Informationen gibt es doch genug.“
Die Ersten, die aus dem Projekt im dritten Stock ausstiegen, waren die „UFAs“. Sie wollten „nicht nebenher Politik machen, sondern auch zusammen arbeiten und leben“, zitiert Hans die Aussteiger des Jahres '79. Die Letzten, die gingen, zogen in den Dachboden des „Ökodorfes“. Mit zehn ABM -Stellen bilden sie das „Institut für ökologisches Recycling“ und tragen nicht nur Lösungen zur Müllproblematik bei, sondern auch die Hälfte zu den 3.000 Mark Miete für das „Ökodorf“. Geblieben sind Leute wie Hans, die Politik „eher nebenher als Freizeitbeschäftigung brauchen“. Hinter dem rosa Neonschild in der Kurfürstenstraße treffen sich regelmäßig sieben Initiativen, die sich mit Umweltproblematik auseinandersetzen und zahlreiche Einzelveranstalter. Zum Beispiel die „Mütter und Väter gegen die atomare Bedrohung“: Am Jahrestag von Tschernobyl im April nächsten Jahres wollen sie Kinderfilme zeigen und Umweltbücher für Kinder vorstellen.
Gibt es denn nichts Neues mehr im Kampf gegen die „atomare Bedrohung“? „Das werden wir am Freitag sehen“, hofft Hans und denkt an die Podiumsdiskussion, die zum zehnjährigen Geburtstag stattfindet und nimmt die Antwort dann doch vorweg: „Ich glaub‘ nicht.“ Die 470 Quadratmeter große Etage findet er trotzdem notwendig: „Wenn was passiert, dann ist es wichtig, daß du Räume hast.“ Das letzte Ereignis, das die Leute in den dritten Stock trieb, war der Unfall von Tschernobyl. Und nachdem Wackersdorf nun doch nicht gebaut wird, werden sich Anti-AKW-Initiativen jetzt trotzdem wieder verstärkt im „Ökodorf“ treffen, denn Ende November soll im Wendland eine Konditionierungsanlage beschlossen werden. Danach wird man in der Geschichte der Anti-AKW-Bewegung eine Platzbewegung mehr zählen können. Aus Gorleben sollen auch aufgedunsene Fässer nach Duisburg und dann repariert wieder zurückgebracht werden. Und Hans überlegt: „Soll man nun blockieren, wenn die Fässer raussollen oder wenn sie wieder reinsollen?“
„Zwischendurch habe ich aber immer wieder das Gefühl, es ist egal, was wir machen“, meint Hans nachdenklich. Aber wenn die ökologische Bewegung was auf die Beine stellt, „hast du die Bullen und Zivis hier“, erwähnt er ein wenig stolz. Es ist eben nur zwischendurch egal, was man macht.
Dirk Wildt
Zehn Jahre „Ökodorf“, Samstag, 21.30Uhr, Fiesta mit Handabanda“, Eintritt 4Mark, Sonntag, 19.30Uhr, Film über das Umweltfestival 1978.
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