Voscherau droht mit Koalitionsbruch

Hamburgs FDP-Chef Vogel fühlte sich wegen „Dossiers“ bespitzelt / Nach Vergleichen mit Barschel-Affäre ist der SPD-Regierungschef stinksauer und verlangt eine Ehrenerklärung als Entschädigung / Vogel lehnt ab  ■  Aus Hamburg Axel Kintzinger

Hamburgs SPD-Bürgermeister Henning Voscherau hat seinem Regierungspartner FDP gestern nachmittag das Ende der Koalition angedroht. Grund ist eine vom FDP -Landesvorsitzenden Robert Vogel an die Presse lancierte Unterlage Voscheraus, die, als „Geheimdossier“ bezeichnet, in den vergangenen Tagen für erheblichen Wirbel sorgte. Es geht um eine Zusammenstellung diverser parlamentarischer Anfragen, Presseerklärungen und Interviews Vogels zum Thema Wohnungspolitik, die sich der Bürgermeister nach eigenen Angaben zur Vorbereitung auf ein Arbeitsgespräch im September zusammenstellen ließ. Die Unterlagen, die Vogel bereits am 10. oder 11.Oktober direkt von Voscherau zugestellt worden waren, präsentierte der FDP-Politiker am Mittwoch der Presse, Voscherau weilte an diesem Tag nicht in Hamburg. Der Freidemokrat fühlte sich, so sagt er, „bespitzelt“ und bezeichnete es als „relativ unerhört“, daß sich ausgerechnet Staatsbedienstete in der Senatskanzlei „über zwei Jahre an meine Fährte heften“. Für erheblichen Unmut sorgte vor allem, daß der Materialsammlung (öffentlich zugänglicher Papiere) politische Bewertungen von Mitarbeitern der Senatskanzlei beigefügt sind.

Die Oppositionsparteien CDU und GAL reagierten prompt: Der Unionspolitiker Willich fühlte sich an die Barschel-Affäre erinnert und bezeichnete das Erstellen des Papiers im Regierungsapparat als „Alstergate“, die GAL sprach von einem „symptomatischen Fall roten Filzes“. Voscherau präsentierte sich der Presse gestern stinksauer: „Ich stehe für Versuche, die Tätigkeit des Senates, der Behörden und meiner Person zu diskreditieren, nicht zur Verfügung. Wer das versucht, muß mit Folgen rechnen.“ Der Hamburger Regierungschef ließ keinen Zweifel daran, was er damit meint. Falls „die FDP insgesamt“ sich von den Vorwürfen nicht distanziere und die Mitarbeiter der Senatskanzlei nicht mit einer „Ehrenerklärung“ des FDP-Chefs entschädigt werden, „weiß ich nicht mehr, wie man in dieser Koalition vertrauensvoll zusammenarbeiten soll - nicht nur in der immanent wichtigen Frage der Wohnungspolitik“. Auf Anfrage der taz ließ Vogel gestern erklären, er sehe für die Abgabe der geforderten Ehrenerklärung keine Notwendigkeit. Schließlich habe er niemanden persönlich gekränkt.

Unmittelbar vor dem Auftritt Voscheraus war, auf Antrag der CDU, der Bürgerausschuß (eine Art Notparlament) zusammengetroffen. Dort wurde mehrheitlich festgestellt, „daß die Vorwürfe jeder Grundlage entbehren“, berichtete Voscherau.

Vogel hatte den Senat und vor allem die SPD in den vergangenen Monaten mehrfach mit detaillierten Anfragen zur Wohnungspolitik genervt, er gilt in dieser Frage als Querkopf in der sozialliberalen Fraktion. Mit der überaus harschen Antwort auf die von Vogel lancierten Vorwürfe kommt Voscherau jetzt zum ersten Mal in die Lage, einem seiner Hauptkontrahenten kräftig in die Parade zu fahren.