Gentech: Das Schlimmste verhindern

Oppositionsgruppen diskutierten in Bonn über Steuerung oder Verbot der Gentechnik / Stopp-Schilder aufstellen gegen den reibungslosen Druchbruch einer gefährlichen Technik  ■  Von Marco Carini

Bonn (taz) - „Neue Viren braucht das Land“. Auf diesen Begriff brachte Tierschützer Ilja Weiss die Stoßrichtung des neuen Gentechnik-Gesetzes. Um das Regelwerk noch vor seiner Verabschiedung im Frühjahr zu Fall zu bringen, übten am Samstag in Bonn mehr als 50 VertreterInnen aus Umweltverbänden, Parteien, Verbraucherinitiativen, aus Agraropposition und Kirchen den Schulterschluß. Fünf Stunden lang diskutierten zwei Dutzend Organisationen, vom BUND bis zu den Jusos, vom genethischen Netzwerk über die Grünen bis zur katholischen Landjugend ein „Memorandum zum Gentechnikgesetz“.

Zentraler Streitpunkt: Läßt sich die Entwicklung der Gentechnologie steuern oder muß sie vollständig verhindert werden? Wolfgang Schröder von der GAL-Hamburg befürchtet, „daß der reibungslose Durchbruch einer Technik, die es ermöglicht, die Eigenschaften von Pflanzen, Tieren und Menschen so zu verändern, daß sie sich optimal ausbeuten lassen, gefährlicher“ sei als „alle gentechnologischen Unfälle“. Die detaillierten Änderungsvorschläge zu dem Gesetz suggerierten, so kritisierte der hanseatische Grüne den ersten Memorandumsentwurf, daß die Gentechnologie kontrollierbar sei, wenn nur die Sicherheitsbestimmungen gut genug sind. BBU-Sprecher Joachim Spangenberg hielt dem entgegen, daß es zwischen den anwesenden Initiativen keinen Konsens über ein allgemeines Verbot der Gentechnologie gebe. „Deshalb“, so Spangenberg, müsse es „darum gehen, Stoppschilder aufzustellen, um das Schlimmste zu verhindern“.

Da niemand den Streit um Steuerung oder Verbot zur Glaubensfrage hochstilisierte, konnten sich die versammelten Gentech-KritikerInnen am Ende auf einen Kompromiß einigen. In der Neufassung des Memorandums, das im Dezember endgültig beschlossen werden soll, zeichnen sich die Konturen einer Gesetzesregelung ab, die sich deutlich von den Vorschlägen der Bundesregierung abhebt: Danach sollen die Risiken gentechnologischer Forschung und Produktion durch hohe Sicherheitsauflagen und strenge Kontrollen minimiert, Öffentlichkeit und Umweltverbände in die Genehmigungsverfahren für gentechnische Anlagen und Experimente stärker einbezogen werden. Die „Freisetzung von Organismen mit manipuliertem Erbgut“, die „gentechnologische Forschung zu militärischen Zwecken“ und die „Entwicklung herbizidresistenter Pflanzen“ müsse völlig untersagt werden.

Doch will die Gentech-Opposition sich nicht weiter auf Verbotsforderungen und Sicherheitsvorschläge beschränken. Die Kritik der Wissenschaftspolitik soll zum Mittelpunkt zukünftiger Arbeit werden und eine „Alternative“ zur bestehenden Forschungsförderung entstehen. Außerdem wollen die Verbände zur nächsten Berliner „Grünen Woche“ zu einem bundesweiten Aktionstag aufrufen. Dann werde sich zeigen, wieviele Menschen die Anti-Gentechnologie-Bewegung auf die Beine bringen kann.