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Riecht nur komisch

■ „Jazz Fest 89“ eröffnet: Ein Kontrastprogramm

Eröffnungskonzert: Belegte Schnittchen, ein Glas Sekt, einige Worte zur Einstimmung, vom Intendanten persönlich, und der hat Sorgen schwer. Verloren hängen an der Wand die Erinnerungsstücke an damals, als Radio Bremen noch eine kulturelle Größe war und eine ganze Reihe erlesener Schallplatten mitproduzierte. Das ist jetzt vorbei, der Wasserbauch zu sehr gewachsen, als daß die Finanzdecke die Füße noch bedecken könnte.

Eröffnungskonzert: Ein einzelner Mann steht auf der Bühne, lächelt, nimmt sich einen Wasserkessel und klopft. Rhythmisch. Vor seiner Nase steht ein Mikrofon. Der Mann singt. Still, brüchig und natürlich singt er Lieder seiner türkischen Heimat, sich mit archaischen und hochtechnischen Kleinigkeiten, mit Wasserkessel und Digital Delay, den rhythmischen Boden legend. Ein Publikum beginnt mitzuschwingen. Der Mann geht, vielleicht war er nur eine Täuschung. Begeisterter Applaus, Zugabe, wieder Applaus. Der Mann heißt Arto Tuncboyaci.

Es folgt: Ein Mann auf einer Bühne, eine Tuba und eine Band. Der Mann ist gut, sehr gut und muß über eine unerschöpfliche Lunge verfügen. Unermüdlich rackert er sich ab, treibt mit seinem dynamisch-beweglichen Blas-Bass-Spiel seine Mitspieler an, reagiert auf ihre Wendungen, greift die harmonischen Windun

gen auf, über die sie sich in melodische Höhen schrauben, läßt bei Gelegenheit seine Tuba auch so richtig singen, daß man vergißt, wo die Oktave steht - es muß eine Freude sein, mit Bob Stewart zu spielen. Nur den Musikern seiner Band, denen merkt man das nicht an. Grundsolide erfüllen sie ihr Plansoll. Außer Tommy Campbell (dr) ließ nur noch Gitarrist Jerome Harris in seinen Begleitpassagen die Ungeduld spüren, die das nötige Brodeln macht.

Szenenwechsel: Zwei weiße Sozialarbeiter - Vollbart, Krawatte - führen einen alten, etwas klapprigen Schwarzen mit Kapitänswürden und seinen Adlatus herein. Der Alte setzt sich an einen großen hölzernen Kasten, an dem unten ein Pedal befestigt ist und gibt Gas: Holterdiepolter kracht da die echte Hammond, mit einem Untergeräusch, als säße man in einem südamerikanischen Fußballstadion. Der Kapitän gibt Gas und unbarmherzig swingt Cpt. Brother Jack McDuffs Combo in die Mitte der Nacht hinein, von McDuffs linkshändigen Bässen auf der Hammond angefeuert. Andrew Beal (as) und Mark Whitfield (g), der junge Gitarrist, ziehen unter den kritisch lächelnden Blicken ihres Meisters die Register ihrer Bebop-Licks vom Leder.

Ein fröhlich abgerundetes Nachtkonzert für den Auftakt des Jazz-Fests. Beschwingt wandert es sich nach Hause.

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