Dortmund scheut ein Popschlaraffenland

■ Vor der Wahl: Imageschub durch ein geplantes Rock-Center in Dortmunds Norden / Nach der Wahl: So wars nicht gemeint

Dortmund (taz) - Noch im Mai hatte sich Dortmunds Kulturdezernent Dr. Langemeyer nichts mehr in das verlassene Industrie-Ungetüm an der Münsterstraße gewünscht als den Pophimmel auf Nordstadt-Erden. Wo einst der CEAG-Dominit -Konzern residierte, sollte ein 6.000 Quadratmeter großes Strukturwandelwunderland der Rockmusik den Dortmunder Norden zieren. Von Proberäumen war die Rede, von Tonstudios, Musikerhotel, PA-Verleih und Cafe.

Das erste und größte Rockmusikzentrum der Republik versprach schließlich auch überregionales Interesse und Großstadtflair. Ein solches Reservoir der Stadt-Image -Werbung kam der gern als Provinzei belächelten Westfalen -Metropole kurz vor den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen offenbar gerade recht.

Kurz nach den Wahlen sieht die Angelegenheit freilich ganz anders aus. Jürgen-Alexander Fischer, SPD-Bezirksvorsteher der Nordstadt, ist das Engagement der Parteifreunde aus der Kulturverwaltung jetzt „ein Rätsel“. Vor Jahren habe man schließlich bereits eine Nutzung des CEAG-Geländes als Wohn und Gewerbefläche beschlossen. Fischer: „Dieses Gebäude ist dazu da, umgebaut zu werden.“

Den gut 300 CEAG-Mietern mit ihren offiziellen Nutzungsverträgen ist ein solcher Beschluß aber offenbar nie vermittelt worden. So haben die Pop-Profis unter den 120 CEAG-Bands beispielsweise ein Tonstudio installiert - für 50.000 bis 60.000 Mark. Der „Verein zur Förderung unabhängiger Kultur“ (VUK), seit gut einem Jahr Lobby der CEAG-Nutzer, hat das Rockmusikzentrum bereits als Projekt der „Internationale Bauausstellung EmscherPark“ eingereicht. Für insgesamt etwa acht Millionen Mark sollte die CEAG-Ruine (eine Toilette, defekte Heizung, undichtes Dach, mangelnde Schallisolierung) in ein Popschlaraffenland verwandelt werden. „Das Konzept ist nach wie vor tragfähig“, so Kurt Eichler vom Dortmunder Kulturbüro: „Wir müssen uns jetzt auf die Socken machen, um Alternativen zum CEAG-Standpunkt zu finden.“

Jürgen-Alexander Fischer dagegen drängt bereits auf eine „schnelle Entscheidung in den politischen Gremien“. Er wünscht sich einen High-Tech-Park für die Nordstadt.

Petra Höfer