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Schön und wach

■ Wie es in der Kirche am Sonntagmorgen sein müßte

Kirche schön, dazu gehört etwa: erstmal eine schöne Kirche, ein Raumschiff mit klarem oder mit dem Licht aus Geheimnis, mit hohen Gewölben und bißchen was reich Geschnitztem, frühe darin sitzen und die Orgel präludiert mit Bach, dem Johann Sebastian, zurücklehnen, ausatmen, sammeln, bißchen für sich die Woche widerkäuen, wie sie war, und singen, diese schönen alten Gesänge, von den Brüdern, Knechten und Teufeln, Texte, die ich nie sprechen würde, aber singen, möglichst lauthauls, das ja, das ist anders, das ist Kostüm, Ritus und tönender Atem, und dann vielleicht noch ein Prediger, der einen nicht anpredigt, jemand Waches, jemand, der die vergangene Woche kommentiert, der von dem spricht, was da war, der Privates oder Gemeindliches oder Öffentliches besieht und bespricht, mit nicht mehr als einer Prise Gotteswort als Salz in einer Suppe, in der viel weltliche Wachheit, Informiertheit und auch ein paar Happen Weisheit schwimmen müßten. Soviel Kirche schön auf einmal gibt es natürlich nicht. Das ist bekannt.

Wenn ich aber jedenfalls den räumlich-meditativen Teil unter schönen Back- und Sandsteingewölben gesichert sehen will, gehe ich zu „Unser Lieben Frauen“. Und siehe, Pastor Huhs‘ Predigt reichte von Jesaja 62, 6 - 12 bis zur Revolution in der DDR und der Eingeschlafenheit des kirchlichen Lebens in Bremen und hatte sogar ein bißchen was Waches: Als das Volk Israel nach der babylonischen Gefangenschaft in das verwüstete Jerusalem zurückkam, da muß es ihm ähnlich gegangen sein, wie denen, die nach vierzigjähriger Gefangenschaft hier ins Gelobte Land kommen, sagt er, Katerstimmung werde sich einstellen. „Wenn man in unser Land kommt, da kann man nur einen Kater kriegen oder was sonst?“ Einen Kater auch angesichts der müden Sprachlosigkeit des Glaubens in den Bremer Kirchen. Jesaja, der Prophet, habe inmitten der Jerusalemer Tristesse unbeirrbar begeistert davon gesprochen, daß Jerusalem nach der babylonischen Gefangenschaft nicht mehr die „Einsame“ oder die „Verlassene“ heißen werde, sondern die „Erlöste des Herrn“ und die „Ersehnte“. Weil Gott es versprochen hat. Weil Gott selber eingreift, wenn er es versprochen hat. Und eines Tages wird das Leben in die müden Gemeinden Bremens zurückkehren genauso wie in die der DDR. „Denn das kann keiner. Dauernd das Falsche sagen und nicht den Dienst quittiert bekommen, jedenfalls im anderen Teil Deutschlands.“

Warten wir also ab und glauben unbeirrbar wie Jesaja, daß unsere Stadt die „Ersehnte“ heißen wird und den Dienst quittiert kriegt, wer immer das Falsche sagt. Unter den Gewölben von „Unser Lieben Frauen“ ist gut Warten. Uta Stoll

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