Mit Umweltsteuern Umwelt steuern

Internationales Berliner Symposium über Öko-Abgaben / Ernst-Ulrich von Weizsäcker fordert ein ökologisches Preissystem  ■  Von Christiane Visbeck

Berlin (taz) - „Umweltverschmutzer sind wie Esel. Beide sind störrisch und lassen sich ungern von der Stelle bewegen“, scherzte Hans Vos aus dem niederländischen Amersfoort am Wochenende auf dem Berliner Symposium über Umweltabgaben ein internationaler Erfahrungsaustausch. Welche ökonomischen Tricks der Eseltreiber Staat anwenden könnte, um die Wirtschaft dennoch zu umweltfreundlichem Handeln zu motivieren, haben Experten aus Ost und West gemeinsam diskutiert. Sie wollen zu neuen Ufern aufbrechen: „Nach der Verordnungswelle reiten wir nun auf der Abgabenwelle“, resümierte der Schweizer Nationalökonom Hans Christoph Binswanger.

In Berlin werden Umweltabgaben derzeit besonders heftig diskutiert. Michaele Schreyer, der AL-nahestehende Umweltsenatorin der Inselstadt, kritisierte „nachsorgende, ordnungsrechtliche Regelungen und grenzwertorientiertes Umweltverhalten“. Und Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Leiter des Bonner Instituts für europäische Umweltpolitik, ergänzte: „Eine Umweltpolitik auf der Basis übertriebener Grenzwerte ist nicht wirtschaftsverträglich. Dann schlägt das Imperium Wirtschaft zurück.“ Die Senatorin möchte Öko -Abgaben als Vorsorge und „als Ergänzung zu normativen Vorgaben einführen“. Sie befürwortet, zum Beispiel, ein Grundwasser-Entnahme-Entgeld von 30 Pfenning pro Kubikmeter. Diese jährliche Mehrbelastung von 4,20 Mark pro Vierpersonenhaushalt könnte den Gewässerschutz mitfinanzieren, sei zudem abgewogen zwischen Sozialverträglichkeit und Lenkungsfunktion.

Weizsäckers Forderungen reichen noch über die Schreyerschen Umweltabgaben hinaus. Er plädiert vor allem für Umweltsteuern und „Preise, die die ökologische Wahrheit sagen“. Seine Argumentation: Umweltlenkungs- oder Sonderabgaben sind Gelder, mit denen Umweltminister lieber arbeiten, weil sie die eigenen, meist leeren Kassen des Umweltressorts füllen sollen. Sie finanzierten auf unkomplizierte Weise die eigenen Ökoprojekte. Volkswirtschaftlich weitreichender seien dagegen Umweltsteuern. Von Weizsäcker betrachtet sie als das Instrument, um den Energie-, Wasser- und Landverbrauch zu regeln. Auch die Müllproduktion und bestimmte Chemikalien und Emissionsvorgaben ließen sich so regeln. Nicht output-, also dreck- und verschmutzerorientiert, sondern inputorientiert sollten die neuen Umweltsteuern sein, also den Verbrauch von Naturgütern besteuern. Wenn dann die Produktionskosten steigen, werden eher solche Produkte gekauft, die weniger Naturressourcen verbrauchen und deshalb billiger sind. Im Gegensatz zu einer auf Reparatur bedachten, nachsorgenden Umweltpolitik, die, zum Beispiel, die kostenintensive Großfeuerungsanlagenverordnung hervorgebracht hat, könnten sich auch Drittweltländer eine Politik der ökologisch wahrhaftigen Preise leisten. „Jeder Wirtschaftsminister muß für Umweltsteuern sein, wenn sie so geartet sind, daß die Gesamtsteuerlast nicht erhöht wird“, folgert von Weizsäcker.

Die vom Staat kassierte Umwelt-Mehrwertsteuer könne dem Steuerzahler, hier der Wirtschaft, an anderer Stelle zurückgegeben werden - etwa für ökologisch sinnvolle Investitionen. „In Italien und Holland ist man bereits weiter in Sachen Umweltschutz als bei uns.“

Weltweites Umdenken, einen neuen umweltfreundlichen Wohlstand - das waren wichtige weltpolitische Forderungen des Symposiums. Martin Jänicke, Leiter der Forschungsstelle für Umweltpolitik an der FU Berlin, bezeichnete Abgaben und Steuern sogar als wichtige Instrumente des „politischen Paradigmenwechsels“.

Die zahlreich vertretenen Wissenschaftler aus Osteuropa hörten solches mit Neugier. Sie stehen ohnehin vor einer Reform ihrer Preissysteme und wollen von den Erfahrungen der westlichen Länder lernen. Ob aber ausgerechnet die ökologischen Kriterien bei den neuen Preisen durchschlagen werden, ist fraglich. Für Drittweltländer erwiesen sich die ökonomische Diskussionen von ökologischen Themen schon im vornherein als unpraktikabel und realitätsfern. Sie fehlten genauso wie die US-Wissenschaftler.