Krach um Explosion der Mieten in Berlin

■ Die „Mietergemeinschaft“ steigt aus, weil sie beim Mietspiegel („Vermieterspiegel“) nicht länger „Feigenblatt“ spielen will / Der Senat soll einen Mietstopp verhängen / Der Berliner Mieterverein will dagegen weiter am Mietspiegel mitarbeiten

Krach um den neuen Mietspiegel wegen der Explosion der Altbaumieten: Die Berliner Mietergemeinschaft erklärte gestern, sie werde aus der gemeinsamen „Arbeitsgruppe Mietspiegel“ aus Mieter- und Vermieterverbänden austreten. Der Grund: Der neue Mietspiegel, der ab 1.1.1990 gelten soll, sei ein „Vermieterspiegel“, dafür wolle man sich nicht als Feigenblatt hergeben. Es habe in den letzten zwei Jahren eine Mietenexplosion gegeben, die die schlimmsten Befürchtungen bestätigt habe. Vor allem bei kleinen und schlecht ausgestatteten Wohnungen seien die Mieten in den letzten zwei Jahren um 20 bis 50 Prozent nach oben geschossen. Die Durchschnittsmiete aller Altbauwohnungen ist in der gleichen Zeit um 15 Prozent gestiegen. Wohnungen in schlechter Lage und ohne Innentoilette, Bad und Zentralheizung dürfen nach dem neuen Mietspiegel über fünf Mark pro Quadratmeter kosten. Das hat das Hamburger Forschungsinstitut „Gewos“ im Auftrag der Senatsbauverwaltung ermittelt. Die Zahlen wurden erstmals von der Mietergemeinschaft öffentlich gemacht. „Das belegt, daß die gesetzlichen Kappungsgrenzen nicht eingehalten worden sind“, erklärte deren Vertreter Gerhard Eichmann.

Nach dem Gesetz dürfen bei bestehenden Mietverhältnissen nur fünf Prozent Mieterhöhung im Jahr genommen werden. Bei neuen Mietverträgen darf die Miete offiziell nur um zehn Prozent steigen. Statt einen Mietspiegel zu erarbeiten, solle der Senat einen Mietenstopp verhängen und die Mietpreisbindung wieder einführen, fordert die Mietergemeinschaft.

Bausenator Wolfgang Nagel bestätigte auf einer gestern einberufenen Pressekonferenz diese Mietsteigerungsraten. Allerdings gebe es je nach Wohnungstyp große Abweichungen. Senator Nagel beklagte den Ausstieg der Mietergemeinschaft aus der Arbeitsgruppe und den „Bruch der Vertraulichkeit“. Der Senator verwies darauf, daß er bereits eine Initiative zur Begrenzung der Mieten im Bundesrat eingebracht habe. Die sieht vor, daß bei Neuvermietungen die Miete nur fünf Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, statt, wie bisher, um zehn Prozent über der Miete des Vorgängers.

Bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen in Bonn sei es allerdings schwierig, das durchzusetzen, sagte Nagel. Ob die Mietpreisbindung als Berliner Landesrecht wieder eingeführt werden kann, ist juristisch und politisch umstritten. Die SPD hat sich anläßlich der Koalitionsvereinbarungen dagegen ausgesprochen.

Der Berliner Mieterverein blieb im Gegensatz zur Mietergemeinschaft in der Arbeitsgruppe Mietspiegel. Der Verein erklärte, ein Mietspiegel sei derzeit das beste Instrument zur Schadensbegrenzung. Dazu müßte der Mietspiegel aber den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Das heiße nämlich, daß er auf der Grundlage der tatsächlich existierenden Mieten erstellt werde, auch wenn die „alarmierend hoch“ seien. Sonst werde der Mietspiegel von den Gerichten nicht anerkannt. Statt des Mietspiegels könnten die Vermieter dann Vergleichswohnungen benennen, um eine Mieterhöhung durchzusetzen. Das sei für den Mieter noch ungünstiger. Der derzeitige Mietspiegel ist nur noch bis Ende 1989 gültig und wird dann durch den neuen Mietspiegel ersetzt.

Vermieter- und Eigentümerverbände verurteilten den Bruch der vereinbarten Vertraulichkeit durch die Mietergemeinschaft. Das ohnehin schon schwierige Unterfangen sei dadurch weiter erschwert worden.

esch/dpa