Dorn im grünen Auge-betr.: "Spendenskandal beim hessisschen Ökofonds", taz vom 25.10.89

betr.: „Spendenskandal beim hessischen Ökofonds“,

taz vom 25.10.89

(...) Schon seit geraumer Zeit ist es etlichen Realos/as ein Dorn im grünen Auge, daß es autonom-feministische Politik in Hessen überhaupt gibt. Postfeminismus heißt das neue Zauberwort.

Der Dorn schmerzt ganz besonders, denn die autonomen Frauen -/Lesbenprojekte haben in einer Zeit vor dieser Zeit eine quotierungsähnliche Vergabepraxis des hessischen Ökofonds und einen eigenen Vergaberat durchsetzen können. Ein Drittel von dem, was jeweils den gemischten Projekten parallel bewilligt wird, muß/soll den Frauen-/Lesbenprojekten zur Verfügung gestellt werden. Über die Verteilung der Gelder entscheiden nicht die Grünen, sondern die Frauen -/Lesbenprojekte in gemeinsamer Sitzung. Ein Skandal muß her, um die Quotierung und die Finanzautonomie mit öffentlichkeitsverträglicher Begründung zu Fall zu bringen. Und möglicherweise den Ökofonds als solchen.

(...) Die angeblich so skandalöse, nach Unterschlagung und Korruption riechende Rückspendenpraxis ist eine hervorragende Idee aus der Gründerinnenzeit: Solidarisch und unbürokratisch sollte denjenigen Frauen-/Lesbengruppen und -projekten, die akut in Finanznot geraten sind, ausgeholfen werden. Nichts weiter.

Jutta Ditfurth äußerte sich jüngst über den überall bei den Grünen zu beobachtenden Anpassungsschub folgendermaßen, und sie hat so recht: „Jaja, Beliebigkeit ist der neue Wert, der Zeitgeist dümpelt vor sich hin, die Integration treibt mainstream, und die gegen den Strom schwimmen, sind weniger geworden. In Aufregung geraten die Profiteure dieser politischen Flaute nur noch, wenn ihre Posten bedroht sind oder ihnen Erinnerungen an ihre eigenen alten Ansprüche begegnen. Das hassen sie wirklich.“

Und irgendwie hat die taz 'nen großen patriarch -kapitalistischen Knall, wenn sie so 'nen Mist so groß und so unkritisch rausbringt.

Eva Hack, Kassel

(...) Sechs Jahre haben die Grünen bisher gebraucht, um die Existenz der Landesarbeitsgemeinschaft autonome Frauenprojekte (LAG) als anscheinend unrechtmäßiges Vergabegremium für Ökofondsgelder zu erkennen. Sechs Jahre lang war dieses „Gremium“ Ansprechpartnerin für die Grünen gewesen. Heute nicht mehr?

Mit dem Infragestellen der Legitimität der Frauen LAG sollen autonome Frauenstrukturen kontrolliert werden. Daß gerade die Grünen, die sich als basisdemokratisch verstehen, dieses politische Vorgehen zu ihrem machen, finden wir empörend und frauenverachtend. Es scheint, als hätten die Grünen - oder die, die sich diesen „Spendenskandal“ ausgedacht haben - endlich einen Punkt gefunden, wo sie den autonomen Frauenprojekten den sowieso schon so klein gewordenen Diätenhahn abdrehen können. Spendenquittungen über 3.000 Mark auszustellen erscheint als Lappalie und für einen „Spendenskandal“ zumal lächerlich. Der Autor, Herr Klingelschmitt, spricht jedoch von „Schaden begrenzen“. Er hält es nicht einmal für nötig, wenigstens eine Frau von der LAG zu befragen - ein Stück objektive Berichterstattung. (...)

Frauen Forum e.V., Kassel

Offener Brief an den grünen Landesvorstand

Angetreten seid Ihr damals - als Eure Politik noch nicht so fundamental real war - mit der Forderung: alle Macht der Basis. Konsequenterweise habt Ihr einen Teil Eurer Diäten der sogenannten Basis, den Projekten, zur Verfügung gestellt durch Einrichtung des Ökofonds. Kaum gab es diese neue Geldquelle, traten sie alle an: diejenigen, die selten bis nie in den „Genuß“ öffentlicher Gelder kommen und die sich staatlichen Vergaberichtlinien nicht beugen wollten.

Als biblische Variante „selbstlosen Gebens“ und „dankbaren Nehmens“ allerdings haben zumindest die autonomen Frauenprojekte den Ökofonds nie verstanden - möglicherweise zu Eurem Leidwesen.

Wir haben beansprucht, Gelder autonom zu verteilen, wir haben die Hälfte der zur Verfügung stehenden Mittel gefordert und ein Drittel gebilligt bekommen - vom Ökofondsbeirat, in dem übrigens mindestens drei Grüne sitzen.

Wir können daher Euer Erstaunen über die bisherige Geldvergabe nicht nachvollziehen, sollte sie Euch doch bekannt gewesen sein. Die Praxis, die unseren Vorstellungen von Basisdemokratie am nächsten kommt, nämlich gemeinsam darüber zu streiten und zu entscheiden, welche, wann, wieviel Knete brauchen und bekommen - enthüllt Ihr nun statt dessen als „skandalösen“ Braten. Wir riechen da - mit Verlaub - etwas ganz anderes: interne Streitereien um grüne Dreckwäsche, Euren Überdruß, Basispolitik zu finanzieren statt Parteipolitik, Euer saures Aufstoßen, das Euch die autonomen Entscheidungen der Frauenprojekte bereiten.

Der Gipfel ist dabei für Euch - in persona Schatzmeisterin Schönhut-Keil - die Tatsache, daß die Frauenprojekte einen prozentual geringen Teil (drei bis vier Prozent) auf ein Extra-Konto zurücküberwiesen haben. Ihr wißt genau, daß es sich dabei nicht um Veruntreuung der Gelder handelt oder um Bereicherung einzelner, sondern um eine Rücklage, die gewährt, daß Projekten in dringenden Fällen sofort geholfen werden kann beziehungsweise spontane politische Aktionen finanziert werden können - das heißt, mit diesem Geld wird Basispolitik in feministischem Sinne gemacht - welcher, der Empörung nach zu urteilen, nicht der Eure ist.

Wir wissen nicht, ob das Entsetzen über ein angeblich mit Tausenden von Mark gesponsertes Lesbenfest von Euch stammt oder taz-Polemik ist; auf jeden Fall handelt es sich hier um blanke Falschinformationen, die den Anschein erwecken sollen, daß Frauen (und Lesben erst recht) nicht verantwortlich mit Geld umgehen können und wollen, sondern es feierlich auf den Kopf hauen.

Zur Richtigstellung sei bemerkt, daß die LAG Gelder für die Kasseler Lesbenwoche und für das Lesben-Pfingsttreffen bewilligt hat, diese Veranstaltungen auf ein Fest zu reduzieren, ist der blanke Unsinn.

Wir verlangen von Euch: 1. eine Stellungnahme, 2. die Neubewilligung der Ökofondsmittel, 3. die Beibehaltung der bisherigen Vergabepraxis, das heißt mindestens ein Drittel der Gelder für die LAG.

Ein Postskriptum an taz-Schreiberling Klaus-Peter Klingelschmitt: Die Beherztheit, mit der Du ins grüne Horn bläst, war nicht zu überlesen, ebenso Deine Genugtuung, endlich mal wieder den Frauen (oder besonders den Läsben?) eins auf die Mütze hauen zu können. (...)

Lesbengruppe Kassel