: „Ein Ford ist bestimmt kein Jaguar“
■ ...aber ein Jaguar vielleicht ein BMW / Britischer Luxushersteller soll nach Übernahme durch den US-Multi rechtlich selbständig bleiben / General Motors gab auf
London (ap) - Für Liebhaber britischer Eleganz ist allein schon die Vorstellung haarsträubend: Wenn Ende dieses Monats mindestens 75 Prozent der Aktionäre ihr Ja-Wort geben, wird der Jaguar mit Ford vermählt. Auch bei den 12.500 Beschäftigten des britischen Traditionsunternehmens stieß die Nachricht vom Übernahmeangebot des zweitgrößten Automobilkonzerns der Welt auf gemischte Gefühle: „Ein Jaguar ist ein Jaguar, aber ein Ford ist ganz bestimmt kein Jaguar“, empörte sich die 30jährige Arbeiterin Linda Graham. Kenner der Automobilbranche aber betrachten die Übernahme als vorteilhaft für beide Seiten.
So werde es die Integration in den Ford-Konzern Jaguar ermöglichen, im verschärften weltweiten Wettbewerb der 90er Jahre mitzuhalten, erklärt Stephen Teitman, der bei der Londoner Investmentfirma UBS Phillips and Drew für den Automobilmarkt zuständig ist. Finanzkraft und Know-how des amerikanischen Giganten könnten den Briten helfen, ihre Modellpalette so zu erweitern, daß Jaguar mit BMW und japanischen Herstellern erfolgreich konkurrieren kann, die bisher Wagen der Luxusklasse noch deutlich preiswerter anbieten - in der Bundesrepublik ist ein neuer Jaguar ab 79.686 Mark zu haben.
Der Name des Münchener Unternehmens fällt auch beim internationalen Konjunkturforschungsinstitut DRI Europe: „Ford will Jaguar zu einem zweiten BMW machen“, sagte DRI -Fachmann Sanjay Dabysing. Bei BMW laufen jährlich rund 500.000 Autos vom Band - zehnmal so viel wie bei Jaguar. Ford ist in der besonders gewinnträchtigen Topklasse bisher nur schwach vertreten.
Der überraschend von der Leitung des 1984 privatisierten Unternehmens akzeptierte Plan des Ford-Konzerns sieht vor, daß Jaguar weiter als rechtlich selbständige Einheit geführt werden kann. Auch das Management mit dem Vorstandsvorsitzenden Sir John Egan soll erhalten bleiben, aber mit Ford-Managern ergänzt werden. Seine Bilanzrechnung wird Jaguar an Ford of Europe schicken, nicht direkt an die Konzernspitze in Detroit. Der Vorstandschef von Ford of Europe, Lindsey Halstead, versichert, Jaguar solle nicht mit dem übrigen Ford-Geschäft vermischt werden.
Vor allem die zunehmenden Schwierigkeiten auf dem amerikanischen Markt, wo jährlich 20.000 Autos mit der grazilen Raubkatze auf der Haube verkauft werden, hatten Jaguar auf Partnersuche gehen lassen. Seit eineinhalb Jahren bemühte sich die Gesellschaft um einen potenten Hersteller, der das Renommierunternehmen aufpäppeln sollte, ohne seine Selbständigkeit zu gefährden. Dabei sagten in den letzten Wochen alle Beobachter eine Verbindung mit dem Ford -Konkurrenten General Motors voraus. Die Muttergesellschaft von Opel wollte allenfalls 30 Prozent des Jaguar-Kapitals übernehmen und die Unabhängigkeit der Briten garantieren. Während Jaguar und General Motors am grünen Tisch schon seit Monaten verhandelten, sorgte Ford an der Börse für Tatsachen: Schrittweise wurden 13 Prozent des Aktienkapitals aufgekauft.
Die Übernahmespekulation feierte dann vergangene Woche fröhliche Urstände, als die britische Regierung ihren vorzeitigen Verzicht auf das Vetorecht ihrer „Goldenen Aktie“ ankündigte. Ursprünglich sollte diese Regelung ebenso wie die für ausländische Aktionäre geltende Obergrenze von 15 Prozent des Kapitals erst Ende nächsten Jahres wegfallen. Das Ford-Angebot von 1,6 Milliarden Pfund (4,6 Milliarden Mark) oder 850 Pence je Aktie enttäuschte jedoch die Spekulanten, die den Jaguar-Kurs bis auf 879 hochgetrieben hatten. Nach der Verlobungsnachricht vom Donnerstag sackte der Jaguar-Kurs zunächst auf 829 Pence. Die Geschäftsleitung von General Motors hat nach dem Ja-Wort Jaguars zu Ford den Kampf aufgegeben und in einer Presseerklärung trotzig wissen lassen, der Wert der Jaguar-Aktien liege deutlich unter den jetzt offerierten 850 Pence. Mit der Aufgabe General Motors‘ entfällt auch die Aussicht auf einen kurstreibenden Kampf zwischen beiden US-Konzernen.
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