Penelope wartet anders

■ Barbara Nüsse mit „Penelope“: Ein Ereignis

Diese Stücke für eine große Solo-Schauspielerin, man weiß das ja, eine Frau, kein Mann aber ein Telefon, die „geliebte Stimme“, nicht zu hören, dafür viele andere und der Suff. Die Verlassene zwischen Verzweiflung, Selbstbetrug, Verrücktheit watend, Hildegard Knef oder Franca Rame, die umsonst wartende Frau, das ist nicht nur die ideale große Rolle, sondern die Frau als Leidensweib in a nutshell: Sehnsucht und Verlassenheit, wie Du's drehst und wendest.

Molly Bloom wartet auch, während ihr Poldy einen Tag und 939 Seiten von James Joyce lang durch Dublin schlingert. Wie Penelope auf Odysseus bei Homer. Penelope, die sich all die Jahre des Wartens der dreisten Freier erwehrt, leidend, aber plietsch, auf jeden Fall in Ehren fest und abstinent. Das tut nun Molly Bloom in ihrem großen inneren Monolog, von Seite 940 bis 1014 das Schlußkapitel des Ulysses-Romans, nicht. Diese erotische, schlampig-lasziv-bodenständige Molly -Penelope erwartet ihren Poldy-Odysseus mit ausufernden Erinnerungsphantasien und hat ihn dennoch grade mit dem reichen Freier Boylan betrogen („nein so einen hab ich mein Lebtag noch nicht gefühlt von dem Format daß man das Gefühl hatte, er füllt einen total aus er muß ein ganzes Schaf verschlungen haben hinterher“). Diese Molly ist eine Männerphantasie.

Barbara Nüsse macht daraus Joyce's Frau in ihrem Widerspruch und ein Theaterereignis. Sie wartet auf Poldy, ja, aber die

Sektbuddel, die sie an den Hals setzt, ist kein Mittel gegen Verzweiflung. Sie ist Erinnerung und Vorwegnahme pitzelnder Lüste genau wie die immer größeren Mangos, die sie schält und schlüpfrig verschlingt, ohne dem Fluß ihrer Phantasien dadurch je den Mund stopfen zu lassen.

Barbara Nüsse, seit 25 Jahren Schauspielerin, bis 1985 unter Niels-Peter Rudolf am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, machte sich mit dieser „Penelope“ selbständig, als Rudolph-Nachfolger Peter Zadek sie für eine Rolle in der „Herzogin von Malfi“ zu alt und zu intelligent fand: „Dumme Frauen sind so erotisch.“

„Armes Theater“: leere Bühne, Plastikvorhang drumrum, Flasche, Mangos, ein Haufen Handschuhe und eben diese Frau. Zwei Stunden Präsenz und nie posiert, nie outriert, nie ein Typ, immer eine ganz bestimmte Frau. Dünne weiße Haut, dickes rotes Haar, müderotes, schulterfreies Abendkleid, das, immer was Unordentliches hat, ein unauffälliger Champion der Sinnlichkeit. Sie liebt Poldy, den lüsternen Liebhaber von Schlüpfern, Muttermilch, Brustwarzen und schönen Worten, hingerissen und betrügt ihn mit dem Inhaber des „gräßlich großen roten Vieh von einem Ding“. Sie will das so und weint dafür. Bis am Ende die weiße und schwarze Clownsschminke ab ist und nach den vielen Gesichtern der Barbara Nüsse die Großäugigkeit der blassen Sehnsucht zum Vorschein kommt.

Uta Stolle