Feuchte Schwestern

■ Himmlische Portrait-Performance / „Available Angels“ im Modernes

Was hat ihn wohl abgeschreckt? Noch bevor die Available Angels überhaupt erschienen waren, hatte er das Modernes schon wieder verlassen. Vielleicht waren es die vier dampfenden Wasserkessel am Bühnenrand, gekoppelt mit der aufsteigenden Ahnung, von „gefügigen Engeln“ nur in die Irre gelockt werden zu können? Dabei wollen die - im Gegenteil etwas aufdecken.

Der Name „Available Angels“ steht für eine Tanz-Theater -Trilogie, mit der die Niederländerinnen Barbara Duyfjes und Lisa Marcus das Ergebnis ihrer Suche

nach Verbindungslinien zwischen Fotographie und einzelnen Theaterformen inszeniert haben. Die Arbeiten von Diane Arbus, jener amerikanischen Fotographin, die bis zu ihrem Freitod 1971 Menschen am „Rand der Gesellschaft“ portraitierte, bilden den Kern dieses Triptychons, das die Untertitel „Wet Features“,„The Perfect Portrait“ und „Angles Beyond Reason“ trägt.

Im Modernes war nur der Einleitungsteil, die „Wet Features“ zu sehen: Blickfang zwei monströse Kühlschränke. Rhythmisch öffnen sie sich zum einge

spielten Wassergeplätscher und geben endlich ihr frisches Inneres frei. Jedoch nur zur Hälfte: präsentiert werden lediglich zwei Hinteransichten, die freilich miniberockt und tiefdekolletiert. Doch bevor's Gesichter gibt, muß sich erstmal vom Kühlschrankmonster abgestrampelt-und genabelt werden. Als der erste Kreis ertönt, entpuppen sich die beiden Vorderhälften als Plastikmasken in katholischen Schulmädchen-Kleidern. Aber süß sieht es aus, das Zwillingspärchen und alles machen sie so hübsch gleich! Einfach ein schönes Bild, wie die beiden Natur und Welt, wenn auch nur auf Plastikfolien serviert, entdecken.

Doch die schöne Eintracht wird schnell durch schwesterliche Zwietracht abgelöst. Wie in Diana Arbus berühmten Portraits der „Identical Twins“ wird die Spannung einsichtig, die zwischen Gleichförmigkeit und Kontrast entstehen muß. Ein unsichtbares Gummiband scheint die Twins zu verbinden, die Identität wird notwendig zum Zusammenprall. „Wet Features“ macht das zusätzlich am Leitthema Wasser deutlich, das hier in unterschiedlichsten Formen auftaucht. Barbara Duyfies und Lisa Marcus zeigen damit die fließenden Übergänge der vermeintlichen Gegensätze: Wo ist die Tränen-Grenze zwischen Lachen und Weinen? Mit viel Ausdruckskraft und Witz haben die Niederländerinnen ihre Assoziationen visualisiert.

Meine Lieblingsszene war die, in der die eine Papierschiffchen faltet, die von der anderen wieder geplättet werden und alles im Dreivierteltakt. Der Walzer säuft in einer Wasserschlacht ab, was typisch ist für dieses spritzige Zwillingsportrait. Das Publikum wollte somit am Ende gar nicht gehen. Elke Weber