Boxberg bald in Papenburg?

■ Mercedes-Benz-Teststrecke entweder im Elsaß oder im Moor von Papenburg / Papenburger hoffen auf den Zuschlag

„Wir hatten gehofft, daß der Kelch an uns vorüber ist“, meinte gestern Karl-Heinz Augustin, Naturschützer in Sachen Moor aus Papenburg. Doch gestern teilten Vertreter von Mercedes-Benz dem Land Niedersachsen und der 30.000 Einwohner-Stadt Papenburg mit: Neuer Standort für die in Boxberg gescheiterte Teststrecke des Auto-Giganten könnte Papenburg werden.

Zwei Standort-Alternativen hat der Vorstand der Mercedes -Benz AG für das geplante Prüfgelände ausgewählt: ein 450 Hektar großes Industriegelände in Nambsheim im Ober-Elsaß, das 100prozentig in öffentlicher Hand ist. Ein gewisser zeitlicher Vorteil spreche deshalb für Nambsheim, erklärte das projektzuständige Mercedes-Vorstandsmitglied Heiner Tropitzsch gestern in Stuttgart.

Den Papenburgern versicherte gleichzeitig Mercedes-Sprecher Fischer, daß ihre 800 ha Torfabbaufläche mit der elsässischen Alternative Kopf an Kopf liege. Die Papenburger hatten ihr Niedermoor 1987 in Stuttgart angeboten, als sich abzeichnete, daß das Bundesverfassungsgericht einer Gebietsreform und damit einhergehenden Zwangsenteignung der widerspenstigen Bauern in Boxberg nicht zustimmen werde.

Das Gelände im Osten von Papenburg ist eine „industrieab getrofte Fläche“, so Mercedes, die erst noch zum Industriegebiet erklärt werden müßte. Sie gehört bis auf drei verzichtbare Randparzellen der Stadt und dem Land Niedersachsen. „Die Moorfläche ist in der Abtorfung“, erklärte Papenburgs Baudezernent Hans-Josef Hermanns und betonte: „Das Schwarzmoor ist ganz ohne Leben.“ Die Stadt rechnet sich gute Chancen für den Zuschlag aus,

der in spätestens einem Jahr erwartet wird, und hofft auch auf von Zulieferbetriebe (Arbeitslosenquote: z.Z. 10%). In Stuttgart war gestern von „gewissen logistischen Vorteilen für Papenburg“ die Rede, zu denen auch die eingeschleifte Infrastruktur zwischen Mercedes-Benz in Stuttgart und Daimler in Bremen gehört.

Mercedes macht seine Entscheidung von den Ergebnissen

weiterer geologischer, hydrologischer und ökologischer Untersuchungen und von den Verhandlungen über Kaufpreis und Infrastrukturmaßnahmen abhängig. Reine Bauzeit: zwei bis drei Jahre. Gesamtinvestition: 300.000 bis 500.000 Mark (ohne den Geländepreis).

Auf dem Prüfgelände für PKW und Nutzfahrzeuge sind (in „abgespeckter“ Version gegenüber

den 16 Betonpisten in Boxberg) u.a. vorgesehen: Meßstrecken -Oval, Fahrdynamikplatte, Brems-und Geräuschmeßstrecken, Handlingskurs, Steinschlag-, Seitenwind-, Verschmutzungs-, Staub-und Schlechtwegstrecken, sowie ca. 6 km Schutzwall.

„Nur 20 % der Fläche werden für den Bau verbraucht“, erklärt Baudezernent Hermanns, „die restlichen 80 % stehen in optimalem Umfang der Natur zur Verfügung.“ Die 2,50 m mächtige Moordecke müsse für den Streckenbau bis zum Sandgrund abgetragen werden. Widerständen von Umweltschützern sieht die Stadt „gelassen entgegen“.

Karl-Heinz Augustin von der Biologischen Schutzgemeinschaft Hunte-Weser-Ems (BSH) nannte Bedenken: Die Prüfstrecke würde neben der geplanten Hochtemperatur-Verbrennungsanlage in Dörben das zweite Großprojekt der Gegend. Die Renaturierungsabsichten der Landesregierung von 1981 für diese Fläche des niedersächsischen Moorschutzprogramms wären hinfällig, der von Umweltschützern initiierte „Naturpark Moor“ verlöre sein Herzstück und der jahrelange, 30prozentige Aufwärtstrend der Übernachtungszahlen papenburgischen Fremdenverkehrs würde rapide gestoppt.

Birgitt Rambalski