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Schwarze schreiben Wahlgeschichte

Erfolge für schwarze Demokraten bei Gouverneurs- und Bürgermeisterwahlen in den USA / Haltung zur Abtreibungsfrage und nicht die Hautfarbe entscheidet über Wahlsieg / Große Gewinne der Demokraten  ■  Aus Washington Rolf Paasch

Die Angst vor dem schwarzen Mann in der amerikanischen Politik scheint vorüber. Bei Gouverneurs- und Bürgermeisterwahlen im Bundesstaat Virginia sowie in den Städten New York, Cleveland, Seattle und New Haven wurden am Dienstag jeweils schwarze Kandidaten, vornehmlich Demokraten und Männer des Ausgleichs zwischen den Rassen, gewählt.

In der ehemaligen Sklavenhochburg Virginia wurde der 58jährige Doug Wilder, selbst Enkel eines Sklaven, mit einer hauchdünnen Mehrheit von unter ein Prozent zum Gouverneur bestellt.

Und auch New York wird für die nächsten vier Jahre mit David Dingkins (62) von einem netten, älteren Herren mit schwarzer Haut und graumeliertem Haar regiert. Der demokratische Parteichef Ron Brown, ebenfalls Afroamerikaner, sprach von Wahlsiegen „von Küste zu Küste“ für seine Demokraten, die auch im dichtbesiedelsten US -Bundesstaat von New Jersey mit dem weißen James Florio nach acht Jahren wieder den Gouverneur stellen.

Die Tatsache, daß der Vorsprung für Dingkins in New York ganze zwei Prozent und Wilders in Virginia mit 7.000 von 1,7 Mio. Stimmen viel knapper ausfiel als erwartet, zeugt allerdings noch von erheblichen Problemen vieler weißer Wähler bei der Wahl eines Afroamerikaners. Viele, die bei den vorhergehenden Meinungsumfragen für Wilder stimmten, haben in der Einsamkeit der Wahlkabine dann doch wieder ihr Kreuzchen hinter Wilders republikanischem Kontrahenten Marshall Coleman gemacht. Und in New York, wo Dingkins von dem schwarzen Bevölkerungsteil fast einstimmig gewählt wurde, liefen zahlreiche traditionell demokratisch wählende Mitglieder der jüdischen Gemeinde ins Lager des Dingkins -Gegners Rudolph Giuliani über; und hätten damit in der demokratischen Hochburg New York fast einem Republikaner zum Wahlsieg verholfen.

Der Sieg Wilders in dem zu 85 Prozent weißen Bundesstaat Virginia, wo sich vor 25 Jahren sogar dessen Demokraten noch gegen die Aufhebung der Rassentrennung gewehrt hatten, erklärt sich vor allem aus dessen Haltung zur Abtreibungsfrage. Wilder hatte es im Wahlkampf geschafft, mit seiner eigentlich liberalen „Pro-Choice„-Haltung selbst republikanische Anhänger zu ködern, indem er sein Eintreten für die Abtreibungsfreiheit als „Nichteinmischung des Staates in das Leben der (weiblichen) Bürger“ und damit als konservative Position verkleidete.

Da die Abtreibungsfrage in den USA vermutlich auf Jahre hinaus innenpolitisches Thema Nr.1 bleiben wird, nachdem ein Urteil des Obersten Gerichtshofs im Juli den Bundesstaaten die Möglichkeit zur Einschränkung des Rechts auf Abtreibung zugestanden hat, werden die jüngsten Wahlergebnisse von BefürworterInnen und GegnerInnen der Abtreibungsfreiheit intensiv studiert werden. Vor allem Republikaner werden ihre Anti-Abtreibungshaltung überdenken müssen.

So deuten denn die Wahlen in Virginia, New York und anderen Städten auf die zukünftige Kreation zweier neuer Politikertypen in den USA: des republikanischen Kandidaten, der zwar konservativ, aus reinem politischen Opportunismus jedoch für die Abtreibungsfreiheit ist; und des meist älteren, moderaten, afroamerikanischen Demokraten, der seine radikalere Vergangenheit in der Bürgerrechtsbewegung zugunsten der von ihm erwarteten Koalitions- und Brückenbildung zwischen den Rassen lieber verschweigt. „Black“ scheint im Amerika der 90er Jahre nicht mehr „beautiful“, sondern nur noch „acceptable“ zu sein.

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