Doppeltes Malör

■ Micki Malör brillierte „Windelweich“ / Kritikerin bibberte außen vor

Lange vor dem offiziellen Spielbeginn hatte Micki Malör ihre Anhängerschaft schon ins Freiraumtheater gezogen. Das ausverkaufte Haus hatteseine Pforten geschlossen, noch bevor die (zugegeben nur auf die Minute pünktliche) Berichterstatterin eingetroffen war. An der Tür ließ sich nicht ruckeln, so blieb der Ausgeschlossenen nur, in der Kälte auszuharren. Wenigstens den zweiten Teil wolte sie nicht verpassen. Und während drinnen alles johlte und jauchzte, wurde es draußen immer öder.

Zum x. Mal las die mittlerweile Eingefrorene die ausgehängte Programmankündigung: „Windelweich spielt dort, wo alle 'Leichen im Keller‘ haben: im Kinderzimmer. Tabus, Ängste, Elternwünsche, kurz Liebe und Leid und vor allem die sexuelle Entwicklung einer 13-jährigen sind das Thema. Wenn Micki Malör diese 13-jährige wie Little Nemo aus den Träumen in die Wirklichkeit stürzen läßt, dann türmen sich absurd -komische (für mancheauch sicher provokante) Alpträume auf. Stellungskriege und Ödipus-Komplexe, Lebenshorror, Peniskult,

Windelterror, Schönheitssehn süchte... Mit ihrer ausgebildeten Stimme quiekt, grunzt sie, jubiliert in betörend schönen Bögen, stammelt, gurrt und schluchzt. Mal träumerisch-poetisch, mal erregt-vulgär. M.M. schont sich auf der Bühne nicht.“

Endlich ging die Tür auf und Wörter wie „toll“, „unglaublich einfallsreich“ oder„zum Ablachen“ strömten zusammen mit der Besucherschar ins Freie. Mit einer „Wahnsinnspower“ soll sie gespielt haben. Leider auch in einem durch, sodaß der Eisklumpen nicht wenigstens die zweite Hälfte miterleben konnte. Die Spuren von M. Malörs turbulentem Spiel waren jedoch nicht zu übersehen: Das Freiraumtheater war in ein Kinderzimmer nach einer Schoko -Kuß-Party verwandelt: Verwühltes Metallbett, Kissen und Spielzeug weitläufig auf der Erde verteilt, auch die heimlich gerauchte Zigarette lag noch rum.

Micki Malör ist auch noch da und erzählt sprudelnd, warum sie beim Frauentheaterfestival gespielt hat: Einfach aus Spiellust. Was „Frauentheater“ angeht,

paßt ihr daran aber nicht die „immense Humorlosigkeit“. Die Wienerin will Theater für alle machen, Frauentheater wirds dann automatisch, weil ihre Stücke alle subjektiv sind. Texte, Musik, Bühnenbild, alles macht Micki Malör selbst. „Alles wächst auf meinem Mist. Das trennt mich ja von den Schauspielern: Ich spiele mich selbst. Schizophren kann ich nicht sein.“ Sie will nichtin die Kabarett-Kiste gepackt werden. „Ich bin ein Clown. Kabarett ist fast konträr, denn es geht über Kopf, Sprache und das Mokieren anderer Personen. Ein Clown dagegen ist unschuldig wie ein Kind. Daher ist eine Panne auch das Beste, was einem Clown passieren kann. Er kann sich der Panne spielend ausliefern, was dann passiert, ist häßlich, ungeschickt, laut (M.M. macht es überzeugend vor) und doof. Als Frau macht das besonders Spaß. Denn all diese Attribute des Unperfekten stimmen so gar nicht mit dem üblichen weiblichen Rollenverhalten überein. Das ist ja auch die Krankheit im Kopf: daß alle so perfekt wie möglich sein wollen.“ Elke Webe