„Der Sozialismus ist naturwidrig“

Bayerns Ministerpräsident Streibl: Die Freiheit hat gesiegt /Gauweiler fordert Wiedervereinigung / CSU-Chef Waigel knüpft finanzielle Hilfen für die DDR an „Gewinntransfer-Möglichkeiten“  ■  Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Spitzenpolitiker der CSU versuchen, die Situation in der DDR mit offen revanchistischen Forderungen für ihre Partei zu nutzen. Die Formulierungen, die von Parteichef Theo Waigel, dem bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl, dem CSU-Hardliner und Innenstaatssekretär Peter Gauweiler sowie von Generalsekretär Erwin Huber am Wochenende verwendet wurden, scheinen geradewegs aus dem Repertoire der rechtsextremen „Republikaner“ zu stammen. Kein Wunder. Im nächsten Jahr stehen im Freistaat Kommunal und Landtagswahlen an, Umfragen bescheinigen der CSU einen Verlust ihrer traditionellen absoluten Mehrheit.

Den Reigen eröffnete der bayerischen Ministerpräsident Max Streibl vor der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft in München. Streibl, der noch Ende September Theo Waigel wegen dessen Grenzdiskussion und Wiedervereinigungsrhetorik scharf angegriffen hatte, betonte nun, daß es angesichts der jüngsten Ereignisse nicht notwendig sei, „auf Rechtspositionen zu verzichten“. Das Deutsche Reich bestehe rechtlich fort, die Resolution des Bundestags zur polnischen Westgrenze sei „interpretationsbedürftig“. Unter dem Beifall der Landsmannschaften verkündete Streibl, die „Frage Freiheit oder Sozialismus ist entschieden“. Der Mensch sei als Individuum und nicht für das Kollektiv gemacht. „Der Sozialismus ist gescheitert, weil er naturwidrig ist.“

Für seine starken Worte wurde Streibl anschließend mit dem Ehrenbrief, der höchsten Auszeichnung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, dem Europäischen Karls-Preis, geehrt.

Nachdem Streibl schon letzte Woche verkündet hatte, an der wachsenden Wohnungsnot seien nicht die DDR-Flüchtlinge, sondern die „nach wie vor ungebrochene Asylantenwelle“ schuld, wollte CSU-Generalsekretär Erwin Huber dem nicht nachstehen. Auf einer Pressekonferenz in Regensburg betonte er, die Bundesrepublik sei „kein Einwanderungsland“. Im Gegensatz zu Asylbewerbern hätten Übersiedler aus der DDR und deutschstämmige Aussiedler ein durch das Grundgesetz garantiertes Recht, sich als Deutsche in der Bundesrepublik aufzuhalten. Huber plädierte für einen „echten Patriotismus“.

Innenstaatssekretär Gauweiler, CSU-Allzweckwaffe gegen die „Republikaner“, erklärte vor der Oberpfälzer Jungen Union: „Deutschland wird wiedervereinigt, und keiner kann uns davon abhalten.“ Als erste Schritte dazu schlägt er vor, den Bundestagsneubau in Bonn zu stoppen und statt dessen in den Berliner Reichstag umzuziehen.

Auch CSU-Chef Theo Waigel hat konkrete Vorstellungen, was sich in der DDR ändern müßte. In einem Interview der 'Süddeutschen Zeitung‘ mahnte er in der DDR die Abkehr von der Planwirtschaft, die Zulassung privater Eigentumsformen und eine leistungsorientierte Entlohnung an. Große Sorgen macht sich Waigel um die Rendite westlichen Kapitals in der DDR. Er verlangte den „Schutz für ausländische Investitionen“ sowie „Gewinntransfer-Möglichkeiten“. Ein derartiges „wirtschaftliches Anpassungsprogramm“ sei „unumgänglich für wirklich tragfähige Hilfen gegenüber der DDR“, erklärte Waigel. Es habe keinen Sinn, „in ein trostloses Unterfangen Geld zu stecken“. Waigel empfahl für die DDR ein „Programm, wie es der IWF für Entwicklungs- und Schwellenländer mitunter konzipiert“.