Rotes Lämpchen

Bundeskartellamt warnt vor der Zusammenlegung der Daimler/MBB-Fusionsreste mit den Werften  ■ Mit der Fusionskontrolle auf du und du

Berlin (taz) - Die endgültige Form des neuen norddeutschen Rüstungskonzerns „Systemtechnik Nord“ ist nach einer Warnung des Bundeskartellamtes wieder offen. Letzte Woche hatte es noch so ausgesehen, als ob die Zukunft der MBB- und AEG -Marinetechnik, die Daimler nach dem Aufkauf der MBB -Mehrheit verkaufen muß, jetzt klar wäre. Helle Aufregung herrscht jetzt aber unter den beteiligten Landesregierungen und Firmen, weil die Wettbewerbshüter fürchten, dem neue Gebilde könne eine marktbeherrschende Stellung beim Bau und der Ausrüstung von Fregatten zukommen.

Denn dann wäre der Zusammenschluß zu untersagen. „Einige in der Presse veröffentlichten Modelle sind schwierig“, sagte Kartellamtssprecher Hubertus Schön. Auf informellen Wegen hat die Behörde deswegen die zuständigen Politiker und Manager unterrichtet. Das Vorhaben, auf das sich die vier norddeutschen Ministerpräsidenten am letzten Mittwoch mit der Industrie verständigt hatten, gehört offensichtlich dazu.

Vier Werften gibt es in der BRD, die Fregatten bauen und exportieren können. Zwei davon, die Nordseewerke in Emden und Blohm+Voss in Hamburg, gehören zum Thyssen-Konzern. Der hatte deutlich zu erkennen gegeben, daß er am liebsten alle Fusionsreste alleine aufkaufen würde, sowohl die MBB -Marinetechnik in Bremen als auch die entsprechenden AEG -Werke in Hamburg und Wedel. Die Landesregierungen befürworteten eine breitere Lösung: Am Konsortium zum Kauf der Marinetechnik soll der Krupp-Konzern mit 35 Prozent beteiligt sein und die beiden anderen fregattenbaufähigen Werften mit je 30 Prozent: die Bremer Vulkan und die HDW in Kiel, letztere über ihre Muttergesellschaft, den bundeseigenen Salzgitter-Konzern. Die restlichen fünf Prozent waren für zwei kleinen Spezialwerften vorgesehen.

Das kartellamtliche Problem dabei: Sowohl die AEG- wie die MBB-Rüstungselektroniker besitzen die Fähigkeit zur Systemführerschaft bei der Ausrüstung der Kriegsschiffe und hatten bisher miteinander konkurriert. Das ist nicht zu unterschätzen, denn die Rüstungselektronik, mit der eine Fregatte vollgestopft wird, ist mittlerweile fast so teuer wie der Rest des Schiffes. Würden die entsprechenden MBB und AEG-Bereiche zusammengelegt, wäre die marktbeherrschende Stellung da. Und das um so mehr, wenn Thyssen - ebenso wie der französische Matra-Konzern - die zugestande Option wahrnähme, später noch zu dem Konsortium zu stoßen.

Erzpeinlich wäre es nun sowohl für das Kartellamt als auch für das Wirtschaftsministerium, wenn jetzt noch einmal das gleiche passieren würde wie letztes Jahr bei der Entscheidung über die Daimler/MBB-Fusion. Lehnt die Behörde den neuen Zusammenschluß ab - und nichts deutet darauf hin, daß sie es etwa aus politischen Gründen vermeiden würde -, würde das Amt seine Machtlosigkeit in diesem Bereich erneut vorgeführt bekommen. Denn dann wäre Bundeswirtschaftsminister Haussmann faktisch gezwungen, sich erneut über die Behörde hinwegzusetzen und wieder eine Erlaubnis zu erteilen, damit Daimler seine Fusionsauflagen aus der alten Ministererlaubnis überhaupt erfüllen kann.

So ist es auch nicht weiter erstaunlich, wenn denn doch noch entweder der AEG- oder der MBB-Bereich bei Thyssen landen würde. Wenn sich das Kartellamt auch nicht dazu äußern mag: Es spricht derzeit mehr dafür, daß das MBB-Werk in Bremen den Besitzer wechseln würde. Denn noch eine zweite Marktbeherrschung könnte drohen: bei der Herstellung von Drohnen. Diese unbemannten Flugkörper werden sowohl von MBB als auch von der ebenfalls bremischen Krupp-Rüstungstochter Krupp Atlas Elektronik (KAE) hergestellt. KAE wiederum sollte später zur „Systemtechnik Nord“ stoßen und hätte damit die eindeutige industrielle Führerschaft durch den Krupp-Konzern bedeutet. Letztes Problem rund um die Drohen: Der Matra-Konzern, mit einer Option auf eine Beteiligung ausgestattet, ist ebenfalls Großanbieter von Drohnen.

Fregatten oder die Blaupausen dafür gehen vor allem in den Export - gerade haben Australien und Neuseeland den Bau von zehn Fregatten für 6,6 Milliarden Mark beschlossen, die bei Blohm+Voss konzipiert worden sind. Von Abrüstungsmaßnahmen in Mitteleuropa sind auch die Drohnen nicht betroffen - sie gelten in den Augen der Experten als defensive Systeme, weil sie überwiegend zu Aufklärungszwecken eingesetzt werden. Das böte den Landespolitikern und der Industrie eine halbwegs verläßliche Garantie dafür, daß zumindest die „Systemtechnik Nord“ nicht sofort ins Schleudern gerät, wenn die Entspannung weitergeht. Ob ein solches Unternehmen ohne die MBB-Bereiche überhaupt noch Sinn macht, ist derzeit noch völlig unklar.

Dietmar Bartz