Öffentliches Signal

Die Mehrheit der Delegierten des 16. IG-Metall-Gewerkschaftstages beschloß die Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft bei der IGM und den „Republikanern“  ■ D O K U M E N T A T I O N

Die mitgliederstärkste Einzelgewerkschaft der Welt, die IGMetall, hat auf ihrem gerade zu Ende gegangenen Gewerkschaftstag einen Unvereinbarkeitsbeschluß gegenüber den „Republikanern“ gefaßt. Nach kontroverser Debatte und gegen das Votum des Gewerkschaftsvorstands entschied die Mehrheit der rund 500 Delegierten, daß künftig schon die bloße Mitgliedschaft bei den REPs unvereinbar ist mit der Mitgliedschaft in der IGMetall. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß man klare Abgrenzungen treffen und ein öffentliches Signal setzen müsse. Demgegenüber hatten die Gegner dieses Beschlusses argumentiert, man müsse sensibel mit den Kollegen umgehen, um sie nicht noch mehr in die Fänge der Rechtsradikalen zu treiben. Bisher hat nur die kleine Gewerkschaft Holz und Kunststoff einen solchen Unvereinbarkeitsbeschluß gefaßt.

Die IGMetall hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie Extremismus, Terror und Gewalt, aus welcher politischen Richtung sie auch immer kommen mögen, entschieden ablehnt. 1989, fünfzig Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges durch den deutschen überfall auf Polen, ist es erneut erforderlich, die Stimme zu erheben gegen antidemokratische, nationalistische Töne, wie sie immer häufiger zu hören sind, gegen Ausländerhaß und Antisemitismus.

Noch immer herrschen in der industriell hochentwickelten und wohlhabenden Bundesrepublik Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau, gibt es Wohnungsnot und Verarmung ganzer Bevölkerungsgruppen, leben viele ältere Menschen isoliert für sich allein, sehen zahlreiche Jugendliche skeptisch, ja pessimistisch in die Zukunft. Politische Perspektivlosigkeit und individuelle Zukunftsängste angesichts unbewältigter gesellschaftlicher Probleme sind der Boden, auf dem ausländerfeindliche und antidemokratische Gesinnung gedeiht. Rechtsradikale Parteien profitieren von dieser Grundstimmung und dem unzureichenden Umgang der Politik mit den zugrundeliegenden Problemen.

Aufklärung über undemokratische Gesinnung

Vor allem die „Republikaner“ konnten sich als Partei auch bundesweit - bei deutlichen regionalen Schwerpunkten etablieren. Gerade dieser Partei, die sich in ihrem Programm selbst als „neue, unabhängige konservativ-liberale Volkspartei“ bezeichnet und angeblich einen „geläuterten Patriotismus“ vertritt, ist weder mit Abgrenzung und Protesten allein noch mit Verboten beizukommen. Vielmehr muß alles getan werden, um durch glaubwürdige Politik und politische Überzeugungsarbeit diesen Kräften den Boden zu entziehen. Dies erfordert vor allem Aufklärung über die trotz aller Bemäntelungsversuche zutiefst undemokratische und antigewerkschaftliche Gesinnung unter den führenden Kräften der „Republikaner“, die besonders deutlich wird in ihrer Haltung gegenüber den Ausländern, zu den Aufgaben der Medien und zu Rechten und Einflußmöglichkeiten der Gewerkschaften in der Gesellschaft. Gesinnung und Haltung der „Republikaner“ lassen sich mit den gewerkschaftlichen Grundvorstellungen in keinem Punkt in Übereinstimmung bringen.

Im Bündnis

gegen Diffamierung

Mißstände einer kapitalistisch organisierten Wirtschaft und Fehlleistungen konservativer Politik haben zur Zerstörung der ersten deutschen Republik geführt. Die IGMetall wird im Bündnis mit allen demokratischen Organisationen alles tun, um den Bestand der zweiten Republik auf deutschem Boden zu sichern und deren Weiterentwicklung zu fördern. Diskriminierung gesellschaftlicher Minderheiten und Diffamierung politisch oder religiös Andersdenkender, Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhaß dürfen nicht das gesellschaftliche, politische Leben und Handeln bestimmen. Deshalb wendet sich die IGMetall gegen alle Bestrebungen, aus tagespolitischem Opportunismus die unter uns lebenden Ausländer - seien es Arbeitnehmer, Asylbewerber oder Aussiedler - zu Sündenböcken für soziale Mißstände in der Bundesrepublik zu machen.

Grundrecht Asyl

Angesichts dieser Situation erhebt der 16. ordentliche Gewerkschaftstag folgende Forderungen:

-Sicherung und Ausbau der demokratischen und sozialen Grundrechte in der Bundesrepublik sind eine vorrangige Aufgabe der Politik; allen Versuchen, diese Grundrechte einzuschränken, muß entgegengetreten werden. Auch Maßnahmen gegen Extremismus und terroristische Gewalt dürfen die demokratische Qualität unserer Gesellschaft nicht gefährden.

-Das Grundrecht auf politisches Asyl muß uneingeschränkt weitergelten und geschützt werden. Die in der Bundesrepublik lebenden Ausländerinnen und Ausländer haben ein Anrecht auf gesellschaftliche Gleichberechtigung.

-Die Bestrebungen, das Unrecht des NS-Staates zu verharmlosen, ja zu glorifizieren, und das Gerede von der Notwendigkeit, „aus dem Schatten der Geschichte herauszutreten“, treffen auf den Widerstand der IGMetall. Verstärkt werden muß vielmehr die breite Aufklärung über Ursachen und Wesen des Nationalsozialismus, die bis jetzt nur bruchstückhaft und vereinzelt erfolgte.

-Aufklärung über Vergangenheit genügt aber nicht. Deshalb fordert die IGMetall die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft auf, endlich mehr zu tun zur Überwindung von Arbeitslosigkeit, zur Beseitigung von Wohnungsnot und Beschäftigungsmangel, für Chancengleichheit und Schutz von Minderheiten, statt mit Sozialabbau und Steuergeschenken die Ungleichheit noch weiter zu verschärfen.

-Die IGMetall fordert das Verbot militanter und zur Gewaltanwendung gegen Andersdenkende neigender in- und ausländischer Gruppen.

Die Delegierten des 16. ordentlichen Gewerkschaftstages erklären die Partei „Die Republikaner“ zur gegnerischen Organisation und stellen die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der IGMetall mit der Zugehörigkeit zur Partei „Die Republikaner“ fest.

Die IGMetall wendet sich gegen Herstellung und Verbreitung neofaschistischer beziehungsweise rechtsradikaler Schriften, Filme und sonstiger Propagandamaterialien.

Der 16. ordentliche Gewerkschaftstag fordert den Vorstand auf, im Sinne dieser Vorstellungen tätig zu werden und entsprechende Forderungen an den Gesetzgeber zu richten.

Er fordert alle Gliederungen der IGMetall auf, in den Betrieben der Metallwirtschaft und in der Organisation selbst Aufklärung über die Hintergründe des politischen Extremismus zu schaffen, den Informationsaustausch zu verbessern und den betrieblichen beziehungsweise örtlichen Funktionärinnen und Funktionären zweckentsprechende Informations- und Arbeitsmaterialien an die Hand zu geben. Darüber hinaus müssen die hiermit in Zusammenhang stehenden Themen verstärkt in die gewerkschaftliche Bildungsarbeit einbezogen werden.