Von Ausländern und Klischees

■ In einer neuen Broschüre gibt die Mainzer Sozialministerin Hansen (CDU) vor, sie wolle Vorurteile gegen AusländerInnen ausräumen - genau das Gegenteil ist der Fall

Mainz (taz) - Gar nobel, die Absicht: Vorurteile gegen Ausländer möchte die soeben erschienene Broschüre des Mainzer Sozialministeriums überwinden helfen. Doch die Herausgeberin ist wohl dabei über eigene Ressentiments gestolpert: Sozialministerim Ursula Hansen gibt eher rechtsextremen Zündstoff, als daß sie unbeleckte Bürger umfassend aufklärt. „Wohlmeinende haben oft Mühe, die griffigen Parolen, hinter denen sich Ausländerfeindlichkeit verbirgt, zu widerlegen“ - wen meinte die Ministerin?

Ein Blick in die Broschüre. Rechte Parolen werden auf jeder Seite als Schlagzeile benutzt - ohne Anführungs- oder Fragezeichen, ganz so als ob die AutorInnen sich die Parolen zu eigen gemacht hätten. Beispiele: „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, „Ausländer leben auf unsere Kosten“. Dazu ziehen Karikaturen das angeblich ernst gemeinte Thema durch den Kakao. Sie zeigen stereotyp einen Türken, in Rollen wie „Müllmann“, mit schwarzen Haaren und kräftigem Oberlippenbart. Klischeehafter geht es nimmermehr.

Erst im nachhinein überklebt wurde die Einleitung zum Kapitel „Arbeitsplätze“. Der Urtext lautete: „Jeder Bundesdeutsche“ sei „davon überzeugt, daß Ausländer die Schuld an der Arbeitslosigkeit tragen“. Im Notaufkleber ist nur noch von „jedem zweiten Bundesdeutschen“ die Rede, ohne daß dies per Umfrage belegt wird. Überdies schafft die Ministerin zwei Klassen von Menschen: „Der größte Teil der Ausländer übt Tätigkeiten aus, die als eintönig, schmutzig, laut, gefährlich, ungesund und schlecht bezahlt gelten. Die meisten deutschen Arbeitslosen kommen für diese Arbeiten gar nicht in Frage.“

Die Broschüre ist offenbar ein Rückfall in das Denken der „Gastarbeiterpolitik“ der fünfziger Jahre. AusländerInnen werden einem rigiden Nützlichkeitskalkül unterworfen, werden je nach Bedarf und Zweckmäßigkeit geduldet oder verstoßen. Zitate aus der Broschüre: „Eine massive Rückwanderung von Ausländern hätte erhebliche Auswirkungen auf die Konsumgüterindustrie: Produktionseinschränkungen und Stellenabbau wären die Folge.“ AusländerInnen trügen zudem „dazu bei, die Finanzprobleme der Rentenversicherung abzumildern“. Oder ein weiterer Wirtschaftsnutzen: „Viele der Altbauwohungen wären schon lange abgerissen, hätte man sie nicht an Ausländer vermieten können.“ Wer zahlt, darf bleiben!

Solche Argumente sollen die Integration vorantreiben? Integration durch Rotation wie in der Schweiz ist Ursula Hansen nicht geheuer: „Denn für ein Industrieland ist es ein blanker Unsinn, Arbeitskräfte aus dem Ausland einzuarbeiten, nach einem begrenzten Zeitraum zu entlassen und dann wieder neue Arbeitskräfte einzuarbeiten.“ Und den Anwerbestopp aus dem Jahre 1973 aufheben, wie von Industriellen angesichts des Nachwuchsmangels gefordert? Frau Hansen verwehrt sich dagegen: „Das ist sicher nicht sinnvoll angesichts der Tatsache, daß uns die Integration der in den 60er Jahren Angeworbenen noch nicht gelungen ist.“

Und weil es nicht gelingt, lenkt die Ministerin schließlich ihr Auge auf die „Asylsuchenden“, die sie strikt getrennt sehen will von „den seit langer Zeit in der Bundesrepublik lebenden ausländischen Arbeitnehmerfamilien“. Dem will die Sozialministerin entgegenwirken: „Maßnahmen zur Vereinfachung und Beschleunigung der Asylverfahren sollen helfen, mißbräuchliche Verzögerungstaktiken zu unterbinden.“

Joachim Weidemann