Der falsche Kladderadatsch

■ Warum Pastor von Zobeltitz zu St. Stephani sein Beispiel für irdische Bedrückung und die Hoffnung für deren Veränderung ganz aus Afrika holt

Ich bin damit ja auch nicht klargekommen, daß das Heil, das Christus verkündet, ausbrechen soll, wenn der Planet mit Pauken und Trompeten untergeht. „Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen“, so überliefert Markus die Heils-Schreckens-Botschaft des Jesus noch relativ schmucklos. Jesus und seine Sekte, aus der sich später die christliche Weltreligion entwickelte, glaubten, daß der von den alten Propheten geweissagte Untergang der Welt, die Apokalypse, unmittelbar bevorstünde. Jesus kündigte an, wie die Alten sungen, bei Eintritt des Endes von Himmel und Erde, d.h. in Kürze, wieder zu erscheinen. Auferstehung nennen wir das. Gemeint war damit zu Jesus Zeiten und dann immer wieder in Glaubenshochzeiten wie der Reformationszeit, dem 16., dem 17. Jahrhundert, nichts Jenseitiges, Himmlisches, sondern: Himmel und Erde werden vergehen. Der Appell; „Seht euch vor, wachet! denn ihr wißt nicht, wann die Zeit da ist“, galt immer einer nahen Zukunft.

Heute glauben das, wie zu Jesus Zeiten, nur die Sekten. Pastor von Zobeltitz in St. Stephani läßt das mal alles dahingestellt, das Wann und das Wo und das Katastrophische daran. Er muß auch weit gehen, ganz bis nach Afrika, bis er sich Menschen vorstellen kann, die so ein Weltenende herbeisehnen. Die nämlich, für die als Billigarbeitskräfte das Vergehen der internationalen Weltwirtschaftsmaschine eine Verheißung darstelle. Ansonsten betont der Pastor eher das Befremdliche, Ängstigende am großen Knall und hebt auch nur das Beruhigende der christlichen Botschaft hervor: daß Gottes Wort bleibt und wir in der letzten Stunde deshalb alle wüßten, was zu tun ist. Das Aufrüttelnde, das nach Angstneurose Klingende, das „Seht Euch vor, wachet“ erwähnt er so gut wie nicht.

Wie gesagt, daß einen der große Kladderadatsch nicht euphorisiert, verstehe ich gut. Daß man, um das Positive dran zu finden, das Vergehen von Himmel und Erde auf das Vergehen der großen (kapitalistischen) Weltwirtschaftsmaschine zurechtschrumpft, verstehe ich schon weniger. Aber daß einer jetzt in diesen Tagen, wo in unmittelbarer Nähe jahrzehntelange Zwangsherrschaften in sich zusammenstürzen, jetzt gerade die empörendste in Prag, daß einer da sein Beispiel für heißersehnte Veränderung alles Bestehenden im Afrika der Textilarbeiterinnen sucht, von denen man ihm auf einer Tagung erzählt hat, mein Gott, was hat so einer eigentlich alles aus seinen Augen und Gefühlen zu verdrängen?

Uta Stolle