Auf der Suche nach neuen Eigentümern für die Coop

Heute findet die Hauptversammlung des maroden Riesen statt / Spekulationsträchtige Neu-Aktien / Coop-Konsumgenossenschaften dementieren Übernahmewillen  ■  Von Burghard Flieger

Heute soll die Coop-Hauptversammlung endgültig entscheiden, was mit dem heruntergewirtschafteten Einzelhandelskonzern geschehen soll. An der Weichenstellung dazu wird hinter den Kulissen hart gerungen, denn offensichtlich ist die Übernahme ein gutes Geschäft. Dies zeigt schon der Wert, zu dem die Aktien zur Zeit gehandelt werden: rund 36 D-Mark zahlen die Aufkäufer für eine Aktie zum Nennwert von 50 D -Mark. Bei vorhandenen neun Millionen Aktien beträgt damit der Börsenwert des Unternehmens zur Zeit 324 Millionen D -Mark, obwohl das Kapital in der Bilanz auf Null herabgesetzt wurde - eine erstaunliche Differenz.

Noch erstaunlicher ist, daß seit Wochen täglich zwischen 15 - und 50.000 D-Mark für den Erwerb von Coop-Aktien bezahlt werden, obwohl ihr Wert ausschließlich in dem Recht liegen wird, eine neue Aktie erwerben zu können, wenn sechs alte vorgelegt werden. Das Aktienkapital liegt derzeit zu 72 Prozent bei vier ausländischen Banken, dem Schweizerischen Bankverein, der niederländischen Amrobank, der Svenska Handelsbanken und der US-Bank Security Pacific.

Nun soll die Hauptversammlung beschließen, 1,4 Millionen neue Aktien zum Nennwert von 50 für 250 D-Mark je Aktie auszugeben. Damit läßt sich die gesamte Coop AG schon mit 674 Millionen D-Mark erwerben - ein Spottpreis, weil selbst schlecht geführte Unternehmen im Einzelhandel für rund 15 Prozent ihres Umsatzes den Eigentümer wechseln; zehn Prozent gilt als die Untergrenze. Nach diesen Gepflogenheiten müßte die Coop AG mit ihrem jährlichen Umsatz von zwölf Milliarden als Minimum 1,2 Milliarden D-Mark bringen.

Spottpreis

Die neuen Anteilscheine sind aber noch aus anderen Gründen stark kursgewinnverdächtig. Bei dem momentanen Preis ist die Übernahme der Coop AG fast von jedem finanzierbar. Der überaus attraktive Verlustvortrag von 2,7 Milliarden wirkt sich für den Erwerber so steuermindernd aus, daß sich der Kaufpreis allein schon aus der Steuerersparnis erzielen ließe. Gerüchte wollen zudem wissen, daß einzelne Positionen in der Bilanz stark unterbewertet wurden. Als Käufer kommt dennoch nur jemand mit Rückhalt bei den Banken in Frage.

Bundesdeutsche Unternehmen allerdings kaum. Kartellrechtliche Bedenken stehen dem allzuschnell entgegen, es sei denn, Teilbereiche des Konzerns würden wieder verkauft, wenn sie in Regionen liegen, wo der oder die Aufkäufer selbst stark vertreten sind. Auch über den Teilverkauf ließe sich der Kaufpreis mitfinanzieren.

Coop-Genossenschaften

schon jetzt dabei

Von der Wettbewerbs-Problematik wenig berührt sind allerdings die Unternehmen, die durch den Zusammenbruch der Coop AG am meisten geschädigt wurden: die Coop -Genossenschaften. Indem sie seit Jahren unter dem gleichen Namen und Emblem firmieren, werden sie von Kunden und Öffentlichkeit mit der Coop AG oftmals gleichgestellt. Dabei haben sie sich immer ihre Selbständigkeit bewahrt. Auch heute noch sind die Absatzgebiete fast völlig getrennt, so daß die Einwände gegen eine Übernahme durch die Coop -Genossenschaften von seiten des Kartellamtes nicht zu erwarten wären.

Über 8,6 Prozent der Coop AG verfügen die Konsumgenossenschaften schon indirekt. Ihre gemeinsame Pensionskasse ist in dieser Höhe beteiligt. Würde die Coop AG in den konsumgenossenschaftlichen Bereich integriert, bliebe die Pensionskassensicherung mit großer Wahrscheinlichkeit erhalten. Zwar muß sie auch dann ihre Anteile verkaufen, denn aus versicherungsrechtlichen Gründen darf sich eine Pensionskasse nicht an einem sanierungsbedürftigen Unternehmen beteiligen. Nur dann aber ist ein fairer Preis zugunsten der Pensionskasse zu erhoffen.

1988 erreichten die zehn größten der Coop-Gruppe angehörenden selbständigen Konsumgenossenschaften einen Umsatz von knapp über fünf Milliarden D-Mark. 2,4 und 1,2 Milliarden gingen allein über die Konten der Konsumgenossenschaft Dortmund-Kassel e.G. und die Schleswig -Holstein e.G. Ihr zusammengerechneter Umsatz macht etwa ein Drittel desjenigen der Coop AG aus. Zusammen mit den 30 in der Zentralen Einkaufsgenossenschaft gemeinwirtschaftlicher Unternehmen (ZEG) zusammengeschlossenen Genossenschaften sind sie jedoch schon eine „kleine“ wirtschaftliche Macht.

Mit größeren ausländischen Genossenschaften, wie denen in Basel und Straßburg, gibt es schon seit längerem Kooperationsansätze. Zu klein wären die „Kleinen“ also nicht, daß sie sie nicht eine Übernahme schaffen könnten.

Personal-Entflechtung

Der erforderliche Rückhalt zumindest bei den beiden Coop -Hausbanken, die die Garantien für die Plazierung der Aktien an der Börse übernommen haben, kann als sicher gelten. Das liegt nicht nur an der genossenschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Tradition der Deutschen Genossenschaftsbank (DG Bank) beziehungsweise der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG). Auch personelle Verknüpfungen sprechen dafür: So ist Horst Langenbucher vom Vorstand der schleswig-holsteinischen Genossenschaft zugleich Verwaltungsratsmitglied bei der DG Bank; der Aufsichtsratsvorsitzende der gleichen Konsumgenossenschaft, Werner Busch, ist Chef der BfG-Niederlassung in Lübeck. Rechtliche Probleme, die aus personellen Verknüpfungen für eine Übernahme entstehen könnten, wurden rechtzeitig behoben. So hat der Vorstandschef der Coop Dortmund-Kassel, Werner Peters, sein Aufsichtsratsmandat bei der Coop AG niedergelegt.

Von den beiden großen Genossenschaften werden allerdings Überlegungen für eine Übernehme der Coop AG dementiert. Werner Blum, Mitglied des Vorstands der Dortmund-Kassel, betont, „von der Größe her sei dies für die Genossenschaften nicht zu machen“. Neben der genannten potentiellen Kaufsumme müsse der Umsatz von zwölf Milliarden noch finanziert werden. „Da würden die Banken nicht mitmachen, die ja einen erheblichen Forderungsverzicht eingegangen sind.“ Auch Pressemann Gienke von der Schleswig-Holstein hat für solche Spekulationen nicht mehr als ein Lachen übrig. Als „eindeutige Ente“ bezeichnet er sie. Daß ein solches Angebot gemacht wurde, sei zwar möglich, aber dies werde nicht verfolgt. „Die Finanzkraft der Schleswig-Holstein e.G. reicht bei weitem nicht aus.“ Zudem könnten sie sich als Genossenschaft dafür erforderliche Gelder nicht über den freien Kapitalmarkt besorgen.

Trotz der offiziellen Dementis: Das Interesse der Genossenschaften besteht. Wenn sich aber die Übernahme der gesamten Coop AG als eine Nummer zu groß herausstellt, haben sie eine weitere Option: Den Aufkauf von Teilen der Coop, die rund um die Regionen ihrer jetzigen Ladenketten liegen.