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Hamse nich, hamse nich....

■ Bettenbörse vermittelt genügsame, nichtrauchende DDR-Bürger

„Wie wär's mit was zu essen?“ Mit freundlichen Worten und kräftigen Bockwürsten wurden gestern BesucherInnen der „Bettenbörse“ für DDR-Wochenend-Urlauber auf den Häfen 30/32 empfangen. Zwischen 5-Liter-Eimern Senf, pallettenweise Orangensaft und Kisten von Mineralwassern verlebten die ehrenamtlichen Helfer der Arbeiterwohlfahrt einen relativ ruhigen Nachmittag. Nach dem Ansturm der ersten Tage der offenen Mauer waren die Warteschlangen vor den drei Vermittlungsbüros gestern ziemlich kurz.Der große DDR -Ansturm scheint bewältigt.Horst Zepperitz, Koordinator der Vermittlungsbörse und seit drei Wochen im ehrenamtlichen Betten-Einsatz, sieht dafür vor allem zwei Gründe: Erstens die Vorweihnachtszeit, wo man eh lieber in Familie als in anonoyme deutsche-deutsche Begegnungen macht. Und zweitens: Viele Kontakte funktionieren inzwischen ohne behördliche Hilfestellung: Seit die Mauer auf ist, haben sich aus den Beziehungen zwischen Bremer Betten-Bietern und Rostocker Nachtquartier-Nachsuchern Freundschaften entwickelt.

Nachteil für RostockerInnen, die erst jetzt zum ersten Mal nach Bremen kommen: Viele Betten sind schon weg, belegt von Wiederholungsbesuchern. Die Bremer Betten-Börsianer haben deshalb schon in allen Rostocker Zeitungen annonciert und um schriftliche Voranmeldung etwaiger Besuchspläne gebeten: „Bitte erst losfahren nach positiver Betten-Rückmeldung“. In den Büros der Arbeiterwohlfahrt stapeln sich die schriftlichen Anfragen inzwischen körbeweise.

In geordnete Behördenbahnen sorgfältig geführter Karteikästen sind inzwischen auch die Bremer Bettenanbieter geraten. Jeder, der unter der Telefonnummer 790244 eins der händeringend gesuchten Nachtquartiere anbietet, wird registriert und im Bedarfsfalle rechtzeitig zurückgerufen. Sogar Sonderwünsche werden berücksichtigt, z.B. ausschließlich nichtrauchende DDR-ler vermittelt, die auch mit Campingliegen oder Luftmatratzen zufrieden sind.

kvr

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