Umsonst Kreide gefressen

Bundeskanzler Kohl erzwingt Mompers Wohlverhalten  ■ K O M M E N T A R E

Es wird eine besondere Genugtuung für den in Berlin ausgepfiffenen Bundeskanzler gewesen sein, Berlins Regierenden Bürgermeister so zappeln zu sehen. Walter Momper, der sich in den letzten Wochen nahezu als einziger Gegenspieler zum großen Wiedervereiniger Helmut Kohl profiliert hatte, der in der historischen Situation den richtigen Ton für eine neue Zeit traf und nicht in altem Denken versackte, kroch zu Kreuze. Das kommt nicht von ungefähr. Der Regierende Bürgermeister weiß viel zu gut, wie abhängig die Stadt vom Bonner Geldsack ist. Jeder Tag, an dem das nicht darauf vorbereitete Berlin die Belastungen der Lawine aus DDR-Besuchern und Übersiedlern zu tragen hat, braut sich ein Konfliktpotential in der Stadt zusammen, das auch das Überleben des Senats berührt.

Die Ergebnisse des Bonner Besuchs sind aber mehr als kümmerlich. Die Problemlage der Noch-Mauer-Stadt dürfte dem Kanzler auch vorher nicht unbekannt gewesen sein. Wie sie sich in Mark und Pfennig rechnet, hat der Finanzsenator in Vorabkonsultationen dargelegt. Dennoch weigert sich die Bundesregierung glattweg, die bereits 1989 vor der Maueröffnung im Vergleich zur Einwohnerzahl anderer Bundesländer weit überproportionale Finanzbelastung durch die Übersiedler abzugelten. Für das nächste Jahr - wenn die Probleme noch größer werden - wird Berlin auf einen Nachtragshaushalt vertröstet, der aber im Zusammenhang mit der DDR-Hilfe sowieso notwendig wird.

Es ist entlarvend, wenn die Bundesregierung davon spricht, in beiden Fällen seien die genauen Mehrkosten noch nicht bekannt. Für 1989 ist das eine glatte Lüge; und für 1990 sind Infrastrukturhilfen von mehreren hundert Millionen Mark notwendig. Es soll zwar Vorabhilfen geben, aber es bleibt es ein Unding, einen öffentlichen Haushalt ohne gesicherte Finanzierung arbeiten zu lassen. Deutlich wird vor allem, daß die Bonner ihre Finanzblockade fortsetzen. Canossa ist für Momper jedenfalls noch nicht vorbei.

Gerd Nowakowski