Bei „AK Zwo“ in der letzten Reihe

■ Verblüffende Gelassenheit von DDR-TV-Journalisten zu Enthüllungen vom Wochenende

Bei ARD und ZDF erlebt mensch derzeit fast täglich eine „Premiere“. Ob ZDF-Bresser, WDR-Bednarz oder SFB-Engert, Fernsehmoderatoren gefallen sich derzeit in deutsch -deutscher TV-Kooperation. Muten dem Publikum zum Teil den hinterletzten Schrott zu, man erinnere sich an die ton- und bildgestörte sowie inhaltsleere „Reportage“ des Kontraste-Magazins über die Arbeit der DDR-Sendung 'elf 99‘.

Ich gestehe, der Aktuellen Kamera gebe ich regelmäßig den Vorzug vor der (SFB-)Abendschau. Die war schon immer langweiliger als das abendliche NDR-Schleswig-Holstein -Magazin, und auch das lockt kaum eine Dithmarscher Bäuerin aus dem Kuhstall. An der AK faszinieren die funktionierenden, alten Sprechmaschinen und die Gelassenheit, mit der die Redaktion von AK Zwo um 21.30 Uhr wiederholt, was zwei Stunden vorher über den Sender ging. Derartige Ignoranz gegenüber Tickerbergen zeugt von im Westen unbekannter Souveränität gegenüber (vermeintlicher) Aktualität.

Am Freitag hatte AK-Reporterin Annett Wundrak über die vorausgegangene siebenstündige Volkskammertagung, bei der 40 Jahre SED-Pfründe ansatzweise enthüllt wurden und die Partei ihren Führungsanspruch verlor, ihren Bericht eingeleitet mit den Worten: „Es fällt mir schwer, wesentliches zusammenzufassen.“. Ein ungewöhnliches, von Bonner JournalistInnen niemals zu hörendes Eingeständnis. Insoweit positiv. Ihrem Genossen, der die Sendung begleitet hatte, ging es nicht anders. Er behalf sich am Ende der Live -Übertragung mit dem Herunterleiern der Tagesordnung. Wieviele Nägel der Journalist während der Debatte über Verfassungsänderung und SED-Korruption abgebissen hat, bleibt sein Geheimnis. Er schwieg über Stunden. Nur wenn ein Minister seine vorbereitete Erklärung als Antwort auf eine vermeintlich spontane Frage verliest, nannte der Reporter Namen. Auch das Kamerateam hatte kaum etwas zu tun: drei Einstellungen für Präsidium, für das Ministern und Fraktionsvorsitzenden vorbehaltene Rednerpult sowie die (neuen) Saalmikrophone für die Abgeordneten.

Bei der eigentlich spannenden Debatte über die Korruption der stalinistischen Machthaber, ihrer Söhne und Töchter verschlug es den altgedienten Fernsehmenschen die Sprache. No comment, weder am Freitag noch am Samstag - ganz abgesehen von eigenen Recherchen oder wenigstens einem Interview. Zum Beispiel mit jener seltsamen Gestalt Gerhard Beil, Minister für Außenwirtschaft, der nach eigenem Bekunden „zehn Jahre revisionssicher gearbeitet“ hat und vor der Volkskammer nichts wußte, außer die Büroklammer an seinem Manuskript hin- und herzubewegen.

Natürlich sind die Beträge, die Honecker und Mittag als „Ehrenmitglieder der Bauakademie“ eingesackt haben, ein Fliegenschiß gegen das, was westdeutsche Politiker durch schlecht getarnte Korruption zu kassieren pflegen. Erwähnenswert in einem Kommentar wäre es gleichwohl. Und dann jene rührende Bemerkung des neuen Stasi-Vorstehers im „Amt für nationale Sicherheit“, seinerzeit Stellvertreter von Mielke, der behauptet, von allem nichts gewußt zu haben und: „Der ehemalige Minister hat mir zwei leere Panzerschränke übergeben.“ Der Mann lügt, wenn er den Mund aufmacht.

Krenz zusammengefaßt: „Mein Name ist Hase, ich hab kein Jagdhaus und weiß von nichts.“ Deshalb könne er sich jetzt „für einen sauberen Sozialismus einsetzen“. Auch diesem Typ steht das gestörte Verhältnis zur Wahrheit ins Gesicht geschrieben - das scheint Fernsehjournalisten weniger zu stören als das (Partei-) Volk. Am folgenden Tag meldete die AK in gleicher Sache die Inhaftierung des ehemaligen ersten SED-Sekretärs aus Suhl, am Sonntag folgen Tisch, Mittag und der Erfurter Müller. Immer noch ohne Kommentar.

Aktiv eingemischt haben sich die Fernsehjournalisten am vergangenen Wochenende in den (idiotischen) Aufruf des Neuen Forums Karl-Marx-Stadt zum Generalstreik. FDGB-Vorsitzende Kimmel durfte sich in der AK „empört“ äußern, ebenso wie eine Facharbeiterin aus der Schuhindustrie. Auch Bärbel Bohleys Mißfallen wurde registriert. Am Samstag abend hieß es, die Gruppe habe ihren Aufruf zurückgezogen. Mehrere Karl -Marx-StädterInnen kamen zu Wort - nur das Neue Forum nicht. Statt dessen ein Bericht über eine Kundgebung des Neuen Forums in Potsdam, zu der auch „Oppositionelle aus Westdeutschland eingeladen“ waren: Horst Ehmke (SPD) und Otto Schily (SPD). Nee, KollegInnen, so nicht! Aber der 'Spiegel'-Reporter, der sich derzeit in den DDR-Studios tummelt, wird bestimmt 'ne Menge über „investigative journalism“ erzählen. Wenn's nicht gerade um ihre Favoriten oder die DDR geht, sind die in diesem Metier affenstark.

Petra Bornhöft