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100 Milliarden volks- eigene DM in der Schweiz?

■ Über Schalck-Golodkowskis Sparvermögen bislang nur Spekulationen

Berlin (taz) -Lägen auf Nummernkonten in der Schweiz tatsächlich 100 Milliarden DM - Alexander Schalck -Golodkowski hätte ein Erbe hinterlassen, mit der die Modernisierung der DDR-Wirtschaft und damit das Ende des Wiedervereinigungsgeredes finanzierbar wäre. Ob die Summe aber auch nur annähernd stimmt, ist fraglich.

Das Ende des für die Devisenbeschaffung zuständige Staatssekretärs kam schnell. Am Freitag hatte der Volkskammer-Abgeordnete Gerd Staegemann (NDPD) Auskunft über Gerüchte verlangt, nach denen auf Schweizer Nummerkonten Devisen und Gold im Wert von 100 Milliarden DM lägen. Am Samstag wurde in Rostock ein Waffenhandels-Unternehmen enttarnt, das Schalck unterstand, noch am Samstag wurde er zu Verhandlungen mit Kanzleramtsministers Seiters nach Bonn geschickt, am Sonntag wurde ein Haftbefehl gegen ihn verhängt, und jetzt ist er untergetaucht. Gefahndet wird weder in der BRD noch in der Schweiz nach ihm, weil es bisher keine Rechtshilfeabkommen zwischen der DDR und diesen Staaten gibt.

Die wichtigsten Fragen sind nun, um welche Summen es sich tatsächlich handelt, wie das Geld beseite geschafft worden ist und wer jetzt noch an die Konten herankommt. Auf die gigantische Summe reagierten die Sprecher der Schweizerischen Großbanken recht einmütig: „Der Betrag ist sicherlich aus der Luft gegriffen“. Ein Blick in die offizielle Statistik der Nationalbank hilft jedenfalls nicht viel weiter - 1988 hatte die DDR ein offizielles Guthaben von 983 Millionen Franken in der Schweiz - das ist etwa das Niveau des westafrikanischen Staates Liberia (940 Millionen Franken).

Übereinstimmend erklärten die drei Großbanken SBG, SBV und SKA allerdings, daß man sich kaum gegen Treuhand- oder Umweggeschäfte von Firmen wehren könne - die ja in diesem Fall auch vermutet werden. Dazu gehören eine Reihe von Holdings in der Schweiz, in Liechtenstein und in Luxemburg. Ihnen dürfte nur durch die Beschlagnahme von Unterlagen in den Firmen auf die Spur zu kommen sein, die von Schalck -Golodkowski kontrolliert wurden. Daß die Durchsicht entsprechender Papiere und Datenspeicher länger dauert als Fluchtbewegungen von den Konten dieser Firmen, darf um so eher angenommen werden, je mehr der Betrag unter den spekulativen 100 Milliarden DM liegt. Immerhin ist die Summe grundsätzlich vorstellbar: Wenn etwa der Waffenhandel auf den internationalen Schwarzmärkten abgewickelt worden ist und nicht als unmittelbare Hilfe für Befreiungsbewegungen; wenn die Deviseneinnahmen aus den Intershops, den rund 100 Beschaffungs-GmbHs der SED (taz vom 28.11.) und aus „Vermittlungs„- und „Provisions„gebühren des Außenhandels nach innen zum Kurs von 1:1 abgerechnet wurden; und wenn die Devisenauf den Weltkapitalmärkten untergebracht und vermehrt worden sind.

Wo es aber schon den coop-Managern gelungen ist, ein über die ganze Welt verschachteltes Netz von Beteiligungen aufzubauen und Gelder zu verstecken, steht zu vermuten, daß auch die Schalck-Combo über dieses Know-How verfügt. Ob die Summe tatsächlich hundert oder zehn oder nur eine Milliarde DM beträgt, dürfte sich kaum noch herausfinden lassen - es sei denn, die Staatsanwaltschaften würden jetzt sehr schnell tätig.

Mindestens eine große Schaltstelle solcher Geschäfte ist jetzt bekannt: Es ist die KoKO, die „Kommerzielle Koordinierung“, die zwar formal dem Außenhandelsministerium der DDR unterstand, aber faktisch in Parteibesitz war. Hier hatte Schalck eine Reihe von Aktivitäten gebündelt, unter anderem, so scheint es jetzt, auch den Waffenhandel. In welchem Maße und auf welche Art die Beschaffungs-GmbHs der SED daran beteiligt waren, welche Summen sie umgesetzt haben und wo ihre Erlöse gelandet sind, ist noch völlig unbekannt. Immerhin besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß der bishewrige Rekord von Fluchtgeldern in der Alpenrepublik deutlich übertroffen wird: Diktator Marcos hat es nur auf eine Milliarde Dollar gebracht.

diba

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