Jugoslawische KP heizt Probleme an

Oppositionelle erheben in offenem Brief schwere Vorwürfe gegen KP-Führung  ■ D O K U M E N T A T I O N

In dem offenen Brief werfen jugoslawische Intellektuelle, darunter der Dissident Milovan Djilas, aus allen Landesteilen der Kommunistischen Partei vor, durch das Festhalten am Herrschaftsanpruch den Vielvölkerstaat in die Katastrophe zu führen. Erstmals wurde ein so scharfer Aufruf unterzeichnet von Altkommunisten wie dem Partisanengeneral und langjährigen Außenminister Koca Popovic.

An die Öffentlichkeit,

angesichts der rasenden Veränderungen in Osteuropa, wo ein Staat nach dem anderen die Bedeutung gesellschaftlicher Kräfte anerkennt und das politische Machtmonopol der kommunistischen Parteien abgeschafft wird, sind wir in Jugoslawien Zeuge eines vollkommen anderen und in vieler Hinsicht umgekehrten Prozesses. Obwohl die herrschende Partei sich in den Republiken (der Vielvölkerstaat ist in sechs Republiken und zwei autonomen Provinzen gegliedert, Anm. d.Red.) heillos zerstritten hat, verbindet alle Seiten ein gemeinsames Interesse: die Aufrechterhaltung der Alleinmacht, einer Macht, die von Berlin bis Sofia der Vergangenheit angehört. Dabei ist die Parteiführung unfähig, auch nur eines der existentiellen Probleme des Landes in den Griff zu bekommen, es werden die nationalen Konflikte zwischen unseren Völkern nur weiterhin angeheizt. Die Partei ist gegen eine nationale Beruhigung, um sich in der Rolle einer übernationalen Ordnungsmacht aufspielen zu können, um die Einführung einer demokratischen Ordnung zu verhindern und um dem Risiko des Machtverlusts bei wirklich geheimen und freien Wahlen aus dem Weg zu gehen. All die nationalistischen Manifestationen in unseren Republiken und letztendlich der politische Bruch der Beziehungen zwischen der Republik Serbien und der Republik Slowenien haben zum Endziel, daß unsere Völker jede Hoffnung verlieren, Anteil haben zu können beim zukunftsweisenden europäischen Umgestaltungsprozeß und nicht mehr an die Möglichkeit glauben, ein wirtschaftlich effektives Gesellschaftssystem ließe sich in unserem Lande ebenfalls aufbauen.

Wir behaupten, die herrschende Parteiführung, ob in Slowenien, ob in Serbien oder irgendwo sonst im Lande, hat kein Recht eine solche Strategie zu verfolgen. Alle nationalen Konflikte und alle anderen Probleme, die Jugoslawien erschüttern, lassen sich sehr wohl erfolgreich bewältigen. Der Partei muß ihr Machtmonopol genommen werden, und man muß ernsthaft versuchen eine parlamentarische Demokratie aufzubauen. Wird dieser Weg nicht eingeschlagen, werden die Probleme nur noch größer, noch schärfer ausgetragen und enden wir in einer Katastrophe.