Spät aber mächtig wird es in der Kasse klingeln

Mobilfunk: In vielen europäischen Ländern steht das große Geschäft noch bevor / „Lizenz zum Gelddrucken“ / Rendite von 15 Prozent, Wachstum wie in den USA?  ■  Von Horst Buchwald

Was ist das? Man muß für den Aufbau mindestens zwei, vielleicht aber auch vier Milliarden DM investieren und kann bis 1996 keinerlei Gewinne erwarten, doch danach klingelt es mächtig in der Kasse? Mobilfunk - made in Germany.

In Großbritannien buhlen seit 1984 rund 50 Unternehmen um die Gunst der Kunden. Ende dieses Jahres sollen es bereits 750.000 Mobilfunker sein. Die Franzosen nutzen das schnurlose Telefon mit der kleinen Antenne schon seit 1987. Und - bezogen auf Teilnehmer pro 1.000 Einwohner - führen Länder wie Norwegen, Schweden, Island, Finnland und Dänemark in Europa mit erheblichem Abstand vor den kleineren und größeren mittel- und südeuropäischen Staaten. Das große Geschäft in den bevölkerungsreichen Regionen des Kontinents steht also noch bevor.

Die belgische Fernmeldebehörde RTT traf erst vor wenigen Wochen ihre Systementscheidung. Den Zuschlag für die erste Ausbaustufe erhielten die Elektrokonzerne Siemens und Philips.

Für das gesamte europäische Mobilfunknetz, das ab 1991 in 13 Ländern eingeführt wird, müssen etwa 5.000 Sendestationen und rund 4.000 Vermittlungsanlagen errichtet werden. Rund zehn Millionen Teilnehmer werden für Mitte der neunziger Jahre erwartet - davon allein zwei Millionen in der BRD.

Mehrere Monate hielt dieses Thema nicht nur Experten in Atem. Zehn Konsortien hatten sich um die Zusage von Bundespostminister Schwarz-Schilling beworben, mit seinem gelb-grauen Riesen auf einem der zukunftsträchtigsten Gebiete der Telekommunikation konkurrieren zu dürfen. Alle Bewerber wirbelten mächtig viel Staub auf, um die Lizenz zu erhalten.

Die Partie heißt: D1 (Bundespost) gegen D2 (Privatbetreiber). Im Bundesausschreibungsblatt wurde bereits ein nicht unwichtiges Kriterium festgeklopft: „Die Lizenz- und Regulierungsbestimmungen werden so ausgestaltet werden, daß faire Wettbewerbsbedingungen zwischen beiden Mobilfunkbetreibern bestehen.“ Heißt das nicht, ein stärkerer Konkurrent hat keine Chancen? Fürchtet der gelb -graue Riese etwa ruinösen Wettbewerb oder effektive Marketing- und Vertriebsmethoden?

Andererseits: Wählt der Minister einen schwächeren Konkurrenten, beweist er, daß es ihm mit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes nicht ernst ist. Wie also findet man einen gleich starken Partner?

Diese Aufgabe fiel dem von Schwarz-Schilling eingerichteten Lenkungsausschuß Mobilfunk (LM) zu. Das sechsköpfige Gremium unter der Leitung des Hamburger Wettbewerbsforschers Katzenbach erarbeitete einen dreibändigen Ausschreibungskatalog. Die Bewerber mußten ihre technische und geschäftliche Planung offenlegen. Eine Marktanalyse sollte Aufschluß geben über die geschätzten Kosten, den Personalbedarf und den Zeitpunkt des Durchbruchs in die Profitzone.

Die Bundespost ist also über den Konkurrenten bestens informiert, doch das ist nicht der einzige Vorteil. Schon seit einem Jahr wurden im Ministerium die Weichen für den Mobilfunk gestellt, während dem D2-Betreiber bis zum Juli 1991 - dem Zeitpunkt, an dem das Netz in Betreib gehen wird

-nur noch 19 Monate bleiben. Außerdem ist die Post weiterhin Netzmonopolist und verdient kräftig mit, weil der Konkurrent Leitungs- und Übertragungsgebühren zahlen muß.

Zudem verfügt der gelb-graue Riese mit seinen mehr als 16.000 Postämtern und den Fernmeldeeinrichtungen über eine beachtliche Infrastruktur für die Errichtung des gewaltigen Antennenwaldes. Und schließlich kann das Ministerium bei Betriebsbeginn auch noch über einen Stamm von rund 300.000 Mobilfunkkunden aus dem alten analogen C-Netz zurückgreifen.

Installiert werden soll schließlich ein Kommunikationsnetz, das an der Jahrtausendwende mehrere Millionen Teilnehmer hat. Ein entsprechendes EDV-System, das Gespräche grenzüberschreitend einwandfrei vermittelt, aber auch die Gebühren korrekt erfaßt und entsprechend abrechnet, existiert noch nicht. Aus eben diesem Grund haben die meisten Konsortien Milliardenetats allein für die Softwareentwicklung reserviert. Und die Zeit drängt, denn schon in der ersten Betriebsphase müssen die Programme einwandfrei arbeiten. Allerdings: Dieses Problem muß auch die Post noch lösen.

Dem D2-Betreiber winken hohe Gewinne. SEL-Manager Manfred Böhm setzt den D2-Auftrag gleich „mit der Lizenz, Geld drucken zu dürfen“. Allein den Lizenzwert schätzen Experten auf fünf Milliarden DM. Der Mobilfunkmarkt Bundesrepublik gilt darüber hinaus als das Filetstück in Europa. Allein das Volumen dieses neu entstehenden europäischen Endgerätemarktes wird auf über 30 Milliarden DM geschätzt.

Wie sich die Umsätze entwickeln können, hat das Konsortium „celtel“ bereits ausgerechnet. Der monatliche Teilnehmerumsatz wird auf 190 bis 250 DM geschätzt. Selbst bei einem durchschnittlichen Umsatz je Kunde von 200 DM im Monat ergibt sich ein jährliches Gesamtumsatzvolumen von rund 6,2 Milliarden DM. Experten erwarten eine Rendite von 15 Prozent. Ein Wachstumstempo von jährlich 50 bis 70 Prozent wie derzeit in den USA kann auch in Europa nicht ausgeschlossen werden.

Neben dem D2-Betreiber, gegen den das Bundeskartellamt übrigens nichts einzuwenden hat, hoffen auch die Systemlieferanten auf enorme Aufträge - von beiden Seiten. Viele arbeiten als Berater in der Group Special Mobil (GSM) mit. Dieses Gremium, in dem 17 Betreiber aus 15 europäischen Ländern Kriterien für einen europaweit verbindlichen Standard erarbeiten, nutzt manchem Bewerber, weil er über den schnellen Draht zum Systemlieferanten exakte Informationen über die Normungen erhält.

Fast alle Konsortien haben sehr viel Geld in die Vorbereitungsarbeiten gesteckt. Die PMF etwa nennt 20 Millionen DM. Fragt sich, was die Verlierer mit ihrem angesammelten Know-how tun werden. PMF-Chef Lessing hat dafür eine einfache Lösung: Man werde es dem Gewinner anbieten.

Bleibt noch eine weitere Möglichkeit: Beim Kampf um den verbleibenden europäischen Mobilfunkkuchen treffen die Konsortien mit großer Wahrscheinlichkeit erneut aufeinander. Das Gerangel um den deutschen Happen war nur der Auftakt für das große Fressen.