GLÜCKLICH & WAHR

■ Die Berlin Play Actors mit zwei Einaktern im Rammzata

Ein paradiesisches Bett füllt die ganze Bühne aus, und so knuddelt es sich glücklich und unglücklich über Kissen und Körper. In Fugue in a Nursery (von Harvey Fierstein) frohlocken die Intimmanöver von zwei Paaren, die sich miteinander wiederum nicht seperat halten. Das ehemalige Männerduo Arnold und Ed geht jetzt getrennte Wege, der Schöne mit dem kräftigen Körper hat nun einen noch schöneren mit ganz jugendlichem Körper, nämlich Alan, der ist einfach so süß und selbstverliebt, daß auch Ed anbeißen muß. Ganz heimlich, als Arnold mit Laurel, der jetzigen Heterobeziehung von Ed, abwäscht. Ed ist ein Schöngeist von Schotte, dem sein Akzent gut zu Gesicht steht, ebenso wie seine altväterlichen, pingeligen Manieren. Dias aus glücklichen Tagen ziehen am Horizont vorbei, als man noch unbeschwert lachen konnte, ach ja, denn nun wird hart gearbeitet an der Ratlosigkeit mit der Sehnsucht nach einem anderen und noch einem anderen und nach sich selbst.

The Sensious Cadaver (von Joy Cutler), das zweite Stück, das die Berlin Play Actors zur Zeit als „Kammerspiel“ anbieten, zeigt ein vereinzeltes Menschenknäuel in irgendeiner WG, wo man statt auf Godot zu warten sich ständig fragt, ob draußen noch nacht ist. Eine Frau ist schwanger und macht ein irres Gezeter darum, eine andere flattert wie ein Vogel vom Kühlschrank herunter (die Dramatikerin herself), ein Deutscher kommt mit katastrophalem Akzent im Englischen daher, ein Türke zerschmilzt in Madonna-Anbetung zum Vögelchen, man telefoniert schließlich mit Gott, und das ist schon mal was, aber für dieses Stück eigentlich nicht genug.

Die Berlin Play Actors kehren den Dreck vor ihrer eigenen Haustür; das was sie spielen, und sie spielen wirklich, hat immer etwas mit ihrer Lebenssituation zu tun. Im Spiel liegt ironische Umdrehung, Authentizität schlägt um in Spiel -Kunst, in Spaß. Was man in Berlin selten erlebt, bringen diese aus Amerika, England, Schottland kommenden Exilanten: Unterhaltung, Überraschung, Show, und geben damit dem Theater eine verlorene Dimension zurück. Mit ihrer Starwars -Inszenierung stellten sie „Macbeth“ auf neue Füße, womit Shakespeare heute auch einverstanden wäre, in „The Importance of Being Earnest“ von Oscar Wilde wurden alle Frauenrollen von Männern gespielt in so verspielter Übertreibung, daß die Groteske tatsächlich die lachende Befreiung beim Publikum wie bei den Schauspielern erfuhr.

Die Berlin Play Actors spielen englisch, tragen als exotische Natives eine Narrenfreiheit am Leib, die sie einlösen, auch wenn die Sprache nicht verstanden wird. Da bleiben die Kostüme, das Bühnenbild, eine Multi-Media -Lichtshow, die sehr sorgfältige Mimik und last not least die Musik von Ethno bis Pop. So wurde in der Kritik immer mehr über den Stil, den sie erfanden, als über das Stück, die Umsetzung einer meist klassischen Vorlage, geschrieben.

„Die Auswahl der Schauspieler ist sehr wichtig“, so Rick Maverik, Art-Director, „die Leute müssen von sich aus was mit der Rolle anfangen können.“ Die Würfel des Zufalls fielen beim Oscar-Wilde-Stück gerade so, daß er zu der Zeit nur männliche Schauspieler kannte, die frei waren - bei der im Mai '90 anlaufenden Neuinszenierung der „Heiligen Johanna“ von G.B. Shaw werden viele Frauen Männerrollen auskleiden. Das Crossdressing als natürliche Notwendigkeit eines kleinen, experimentellen Theaters, das „die Illusion von einer Welt, die außerhalb der realen liegt“ (Rick Maverik), dann von ganz allein schafft. Dabei bleiben wiederum die Gesten auf der Bühne klein, unpathetisch, denn „truth is much better „than myth“.

Sophia Ferdinand

„Fugue in a Nursery“, 20 Uhr, „The Sensious Cadaver“, 21.30 Uhr. Bis zum 17.12. jeweils do-so im Rammzata, Fidicinstraße 40, 1/61. Heute anschließend Theaterparty ab 23.30 Uhr mit Showeinlagen von Rick Maverik und „Chansons d'Amour“, special guests Yo-Yo-Ta, Hot J. Theo.