Berghofers Erfolg begann in Hamburg

Der SED-Shooting-Star profilierte sich besonders in der Städtepartnerschaft Dresden-Hamburg / Die Elbmetropolen im Partnertaumel / Dresden soll mit Hamburger Millionenhilfe saniert werden / Nomen est omen: Dresdner Bank saniert mit  ■  Aus Hamburg Axel Kintzinger

Henning Voscherau kann wieder lachen. Der Hamburger SPD -Bürgermeister, in diesem Herbst arg gebeutelt wegen anhaltender Erfolglosigkeit und Niederlagen in parteiinternen Machtkämpfen, profitiert derzeit wie kaum ein anderer westdeutscher Regierungschef von der Umwälzung in der DDR. Denn: Die führenden Reformer innerhalb der SED kommen fast allesamt aus Dresden - der Partnerstadt Hamburgs. Da gefällt es Bürgermeister Voscherau, sich als häufiger Gesprächspartner von Ministerpräsident Hans Modrow und dem in der DDR-Politik steil nach oben schießenden Dresdner Oberbürgermeister Wolfang Berghofer präsentieren zu können.

Vor zwei Jahren vom damaligen Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Berghofer unterschrieben, entwickelte die Städtepartnerschaft eine intensive Reisetätigkeit nicht nur von Rathausdelegationen. Ende November ortete Voscherau gar den „Höhepunkt des deutsch-deutschen Wochenendes“ in Hamburg. Gemeinsam mit Berghofer waren knapp 1.000 Dresdner BürgerInnen mit einem Sonderzug in die westdeutsche Elbmetropole gereist. Es war eine sponatne Aktion, binnen weniger Stunden ausgedacht, von Berghofer rund einen Tag vor Abfahrt des Zuges durch das Kommunalparlament gebracht und umgesetzt. Grünes Licht aus Ost-Berlin, noch vor wenigen Wochen für jede Kleinigkeit vonnöten, wartete Berghofer nicht ab. Er hatte gar nicht erst gefragt. Heute früh fährt ein weiterer Sonderzug ab: Dieses Mal geht es von Hamburg nach Dresden, Visumsprobleme erwartet keiner, Berghofer wird's schon richten.

Den Dresdner Politikern kommt der Trubel sehr recht. Von Beginn der Städtepartnerschaft an haben sie sich vor allem wirtschaftliche Vorteile von der Liaison versprochen. So antichambriert Robotron-Chef Wilhelm Wokurka häufig für seinen Elektonikkonzern und hofft, über Hamburg einen Fuß in die Tür des westlichen High-Tech-Marktes zu bekommen. Vielleicht noch in diesem Jahr wird eine Delegation der Hamburer Industrie- und Handelskammer nach Dresden reisen. Dortige Wirtschaftsleute, so ist in Hamburg zu hören, fordern in den letzten Tagen verschärft nach westlichen Investitionen in ihrer Stadt.

Schon Anfang November verabschiedeten der damalige DDR -Umweltminister Hans Reichelt und sein Hamburger Kollege Jörn Kuhbier einen Vertrag über Hamburger Hilfe zur Elbsanierung. Kapp dreieinhalb Millionen Mark und Know-how sollen flußaufwärts geschickt werden, um die derzeit stillstehenden Kläranlagen und das marode Dresdner Sielnetz wieder flott zu machen.

Damit nicht genug. Berghofer vereinbarte mit dem Hamburger Senat, das vom Verfall bedrohte Hechtviertel in der Dresdner Neustadt mit Hamburger Hilfe zu restaurieren. Drei Millionen sollen nach Wunsch des Senates noch aus dem Haushalt 1990 losgeeist werden. Pikant: Die Federführung dieser Sanierung wird dem alternativen „Planerkollektiv“ unterliegen - einem Büro, das sich zuletzt mit der Restaurierung der Hafenstraße einen Namen gemacht hat. In dem Dresdner Gründerzeitviertel sollen nach einem Hamburger Vorschlag Kleingenossenschaften gegründet werden, in deren Besitz dann einzelne Häuser gehen würden.

Mit Hilfe der Hamburger Senatskanzlei wurden private Sponsoren aufgetrieben, die den Wiederaufbau des Dresdner Schlosses mitfinanzieren. Die - sic! - Dresdner Bank will, so munkelt man in Hamburg, rund 40 Millionen Mark dafür locker machen. Daß zu diesem Partnerschaftstaumel auch die spontan eingerichtete Aufnahme einer direkten Flugverbindung zwischen Hamburg und Dresden gehört, fällt schon kaum mehr auf.

Wolfgang Berghofer, der in der DDR mittlerweile als

Kandidat für jedes Amt gehandelt wird, ist an diesen

Schritten maßgeblich beteiligt. Auch das dürfte ein Pfund

sein, mit dem der PR-fähige 46jährige - auftrittsreif für

jede West-Talk-Show - in einem Wahlkampf für die SED (oder deren Nachfolgepartei) wuchern könnte. Zudem genießt der

Mann in der Bevölkerung, auch bei den oppsositionellen

Gruppen Dresdens, einen hervorragenden Ruf. Informell

scheint er bereits seit Monaten in die wichtigsten

Entscheidungsgremien der SED eingebunden zu sein. Als die

Öffentlichkeit Anfang November von den ersten Rücktritten

hoher Funktionäre aus den Blockparteien überrascht wurde,

antwortete er West-Journalisten sehr gelassen: „Das wird in den nächsten Stunden und Tagen so weitergehen.“ Allerdings: Ohne Flankenschutz höherer Parteigremien setzte er jüngst

durch, daß Oppositionsgruppen im Dresdner Parlament

Rederecht bekommen - und eine Infrastruktur für ihre

Arbeit.