Sozialdemokratischer Erbstreit

Die Bonner SPD ist von der Angst geplagt, ihr könne mit einer zur Sozialistischen Partei Deutschlands - Kürzel: ebenfalls SPD - umbenannten SED eine unerwünschte Bruderpartei ans Bein gehängt werden. Anke Fuchs, Geschäftsführerin der Sozialdemokraten, hatte gestern für jene Partei, mit der man vor nicht allzu langer Zeit noch ein gemeinsames Streitpapier verfaßte, nur harsche Worte übrig: „Die SED ist eine korrupte stalinistische Partei, die SED ist kaputt. Die SED hat das Vermächtnis der Sozialdemokraten verraten, das ist für uns erledigt.“

Warum sich ihre Partei überhaupt früher mit der SED an einen Tisch gesetzt hat? Anke Fuchs antwortet mit abfälligem Schulterzucken: Das gemeinsame Streitpapier sei „abgearbeitet“, die SED habe die Chance zur Reform vertan, Schluß, aus. Vorstandsmitglied Horst Ehmke hatte bereits am Tag zuvor, als das Gerücht vom Namenklau nach Bonn drang, kurz und bündig erklärt: „Mit der SED haben wir nichts zu tun.“

Mit der östlichen SDP hingegen, so wollen die Sozialdemokraten (West) jetzt glauben machen, sind sie immer schon eng verbunden gewesen. Dabei war noch vor wenigen Tagen aus der Partei zu hören, man dürfe sich nicht voreilig festlegen, die SDP käme bei DDR-Wahlen womöglich kaum über fünf Prozent. Und nun heißt es: „Revolutionen erfordern schnelles Handeln.“ Die SDP ist zur auserwählten Bruderpartei geworden.

Anke Fuchs: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn sie unseren Namen übernehmen und eine Chance haben, das Erbe der Sozialdemokratie dort zu übernehmen.“ Denn die hätten doch das „Erbe“ unter den Repressionen des alten Regimes bewahrt.

Die Angesprochenen nehmen diese Rolle gerne an. SDP -Generalsekretär Ibrahim Böhme am Mittwoch zur taz: Man bitte jetzt die eigene Parteibasis um Mithilfe, damit „der Name und das geistige Erbe der Sozialdemokratie gerettet und nicht wieder vereinnahmt werden wie 1946“.

Nur ein Problem müssen die Sozialdemokraten (West) noch lösen: Wie kommen sie jetzt an das Geld, das bei der damaligen Zwangsvereinigung von KPD und SPD in die SED-Ehe eingebracht wurde? Das neue Ost-Brüderchen wird es jetzt wohl brauchen, um wirklich über die besagten fünf Prozent zu kommen. Anke Fuchs: „Darüber muß noch geredet werden.“

Charlotte Wiedemann /er